#Persönlichkeitsentwicklung

Weiter geht’s: Wie wir Niederlagen konstruktiv händeln

Weiter geht’s: Wie wir Niederlagen konstruktiv händeln

Dass uns nicht immer alles so gelingt, wie wir es geplant hatten, gehört zum Leben. Ragnhild Struss schildert, wie wir mit negativen Gefühlen infolge von Niederlagen umgehen und einen konstruktiven Umgang mit Misserfolgen trainieren können.

Wir bekommen auf unsere Jobbewerbung eine Absage. Unsere sorgfältig verfasste und mehrfach geprüfte E-Mail an potenzielle Investoren verschicken wir versehentlich offen statt im BCC an alle. Die finale Trennung von unserem Partner nach langem Kampf um die Beziehung fühlt sich wie eine Niederlage an. Ob bei alltäglichen Kleinigkeiten oder größeren Themen: Jeder erlebt immer mal wieder Niederlagen. Man hat sich für etwas ins Zeug gelegt und diese Bemühungen sind am Ende leider nicht vom gewünschten Erfolg gekrönt. Das löst je nach persönlich empfundenem Schweregrad mehr oder weniger starke negative Gefühle in uns aus, zum Beispiel Scham, Enttäuschung, Frustration, Wut, Ärger oder Trauer. So können empfundene Niederlagen dem Selbstwertgefühl eine ordentliche Delle verpassen. Möglicherweise ist der Zusammenhang aber auch genau umgekehrt und wir empfinden Niederlagen in den Bereichen am schmerzvollsten, in denen unser Selbstwertgefühl am wenigsten stabil ist? Was sind häufige bzw. wiederholte Reaktionen, wenn wir Niederlagen erleben? Wie sollten wir lieber nicht darauf reagieren und warum? Und wie gelingt es uns, gestärkt daraus hervorzugehen (Stichwort Resilienz)?

Typische Reaktionen auf Niederlagen

Es sei erwähnt, dass der Begriff „Niederlage“ eigentlich innerhalb eines Wettkampfes als das Gegenteil zum „Sieg“ verwendet wird. Im weiteren Sinne und in unserem umgangssprachlichen Gebrauch bezieht er sich jedoch auf alle Situationen, in denen „etwas auf dem Spiel“ stand, wir also motiviert waren, ein bestimmtes, für uns wichtiges Ziel zu erreichen, dies jedoch nicht geschafft haben bzw. uns etwas misslingt, was eigentlich hätte klappen sollen. Etwas als gegeben anzunehmen, was dann schiefgeht, oder uns auf etwas zu freuen / es herbeizusehnen und es dann nicht zu bekommen, erzeugt zunächst einmal Frustration. Es handelt sich um eine – meist auch körperlich wahrnehmbare – Stressreaktion, weil eine erwartete „Belohnung“ ausgeblieben ist und an ihre Stelle eine Bloßstellung oder ein Verlust tritt. Erwartungen – oder schöner formuliert Hoffnungen –, die wir an uns selbst gestellt haben, werden enttäuscht. 

Wie wir mit dieser Frustration umgehen, unterscheidet sich von Mensch zu Mensch und in Abhängigkeit von der Situation – je nachdem, was auf dem Spiel stand, wie gravierend ein Fehler war, wie nah er uns an unserer Achillesferse getroffen hat oder wie stark das Resultat gegen unsere Moralvorstellungen oder unser (Ideal-)Bild von uns selbst verstoß. Auch je nach Grundpersönlichkeit reagieren Menschen anders auf Misserfolge: Bei hoher Sensibilität und – damit oft verbunden – gesteigertem Anspannungsniveau und Reizbarkeit, wechselhafter Stimmungslage, gemäßigter Selbstsicherheit und geringer Stressresistenz wirken sich Niederlagen drastischer auf die eigene Verfassung aus. Außerdem spielt immer auch die aktuelle Lage bzw. emotionale Verfassung eine Rolle: Wer ohnehin gerade sehr gestresst ist, dem gelingt ein weniger konstruktiver Umgang mit Niederlagen als jemandem, der sich gut und entspannt fühlt.

Warum diese Erkenntnis so wichtig ist? Wir neigen dazu anzunehmen, unsere Gefühle stünden in direktem Zusammenhang mit der Niederlage und sie würde quasi die Intensität unserer Empfindung bestimmen, doch dem ist nicht so. Die gleiche negative Situation kann für zwei verschiedene Persönlichkeiten in entgegengesetzter Lage und Verfassung als vollkommen unterschiedlich schlimm empfunden werden. 

Bei einigen Menschen führen erlebte Niederlagen zu starker Wut, sie regen sich lautstark auf oder lassen ihre schlechte Laune an anderen Personen aus. Andere hingegen fühlen sich eher verunsichert und traurig und beginnen, an ihren eigenen Fähigkeiten zu zweifeln. Wieder andere verkriechen sich im Gefühl von Schuld und Scham und empfinden Angst, von anderen negativ bewertet oder nicht mehr gemocht zu werden. Wer sich schuldig fühlt, hat das Gefühl, falsch gehandelt zu haben – die Lösung wäre eine Entschuldigung beim Gegenüber, doch dafür braucht es ein gewisses Mindestmaß an Selbstwertgefühl. Wer sich schämt, glaubt, in seiner eigenen Person fehlerhaft zu sein. Je nachdem, wie stark solche Gefühle ausgeprägt sind, fällt es den Menschen schwer, in eine offene Kommunikation zu treten und sich zu „zeigen“.

Wer hat Schuld? Eine Frage der Attribuierung

Anhand dieser beispielhaften verschiedenen Reaktionen äußert sich auch ein völlig unterschiedlicher Attribuierungsstil: Damit ist gemeint, wem oder was wir die Ursache für unsere Niederlage zuschreiben. Menschen, die sich ärgern, weil sie nach ihrem Gefühl „ausgebremst“ oder ungerecht behandelt wurden, neigen eher dazu, die Schuld im Außen zu suchen, zum Beispiel „Die haben die Stelle doch bestimmt intern besetzt, weshalb ich sie nicht bekommen habe – dann hätten sie sie gar nicht erst ausschreiben sollen!“ oder „Hätte mein Beifahrer mir nicht die falschen Navi-Anweisungen vorgelesen, hätte ich mich nicht verfahren und wir wären nicht zu spät gekommen.“. Diese Art von Attribuierung fungiert im Sinne eines Abwehrmechanismus („Schuldverschiebung“) wie ein Selbstschutz, damit der eigene Selbstwert unter der Niederlage nicht leidet. Dabei wird die Realität natürlich meistens sehr einseitig betrachtet und eigene Anteile am Scheitern eines Vorhabens werden nicht gesehen, sodass kein Wachstum daraus resultieren kann. Nur wer Verantwortung für Missgeschicke, Fehler oder Niederlagen übernimmt, kann aus ihnen lernen und sich weiterentwickeln.

Der konträre Attribuierungsstil – quasi zu viel des Guten – wäre, die Verantwortung für die Niederlage komplett als eigenes Versagen hinsichtlich der eigenen Fähigkeiten oder sogar Person zu interpretieren, zum Beispiel: „Hätte ich nur … gemacht, dann hätte ich die Beziehung noch retten können!“ oder „Ich bin einfach ein unaufmerksamer Typ, deshalb ist mir dieser Fehler mit der E-Mail passiert.“ Menschen, die dazu neigen, sich selbst die Schuld zu geben und/oder sich zu schämen, sehen zwar im Gegensatz zu anderen klar, wo sie bei sich selbst ansetzen können, um künftig mehr Erfolg zu haben. Jedoch motiviert sie diese Erkenntnis nicht, sondern hemmt sie eher, weil sie ihr Selbstwertgefühl trübt und sie durch ihre daraus abgeleitete Einstellung „Ich kann das nicht, ich bin nicht gut.“ sich selbst kleinmachen und sich immer weniger zutrauen. 

Beide „Extremformen“ der Attribuierung zeugen von einem unzureichend entwickelten Selbstwertgefühl, weil weder im Falle der reinen Fremd- noch durch starke Selbstvorwürfe das adäquate Maß an Verantwortung übernommen wird. Der Fokus ist zu stark darauf ausgerichtet, wer „Schuld“ hat und was das Problem ist – so gibt es zu wenig Raum für eine Lösungsfindung. Am besten wäre eine „Mischung“ beider Attribuierungsstile, also sowohl Fremd- als auch Eigenanteile möglichst objektiv einschätzen und daraus lernen zu können. Die beiden Extremformen der Attribuierung werden meist von einseitigen negativen Glaubenssätzen begleitet, zum Beispiel: „Man kann niemandem trauen.“, „Das Leben ist hart.“, „Jeder hat es auf mich abgesehen.“, „Ich bin zu nichts zu gebrauchen.“, „Lieber mache ich mir nicht zu große Hoffnungen, meistens geht es eh schief.“ etc. Deshalb ist es extrem wichtig, im Kern anzusetzen und sich zu fragen, ob man mit den eigenen Glaubenssätzen einen negativen Einfluss auf seinen individuellen Umgang mit Niederlagen nimmt.

Einen konstruktiven Umgang mit Niederlagen trainieren

1. Ist-Analyse – Akzeptanz der Niederlage und der damit verbundenen Gefühle 

Gestehen Sie sich zunächst selbst zu, dass Sie enttäuscht, verärgert oder traurig sind, und regen Sie sich nicht auch noch darüber auf oder werten sich gar dafür ab, dass Sie so empfinden. Es ist zwar normal und menschlich, sich selbst oder andere zusätzlich dafür abzustrafen, macht die Situation aber nur schlimmer und nicht besser. Bleiben Sie präsent und sehen Sie davon ab, sich zurückzuziehen, zu fliehen oder andere zu beschuldigen, sondern bringen Sie den Mut auf, sich mit dem, was passiert ist, auseinanderzusetzen – entweder alleine, dann am besten schriftlich mit Papier und Stift, oder mit Hilfe von außen, zum Beispiel von einem Freund oder Coach.

Prüfen Sie weiterhin, in welcher allgemeinen emotionalen Verfassung Sie sich gerade befinden und wie es um Ihr Selbstwertgefühl bestellt ist. Wenn Sie sich grade gestresst, labil, schwach oder unsicher fühlen, leiten Sie zunächst andere (Selbstfürsorge-)Schritte ein, bevor Sie weiter über die Niederlage und mögliche Lösungsstrategien nachdenken. Wir können nicht in jeder Situation klar denken und Entscheidungen treffen. Lesen Sie hier mehr zum Thema Selbstmitgefühl und hier zum Aufbau eines starken Selbstwertes. 

Wenn Sie sich gefasst haben, widmen Sie sich der grundlegenden Arbeit an Ihren Glaubenssätzen in Bezug auf Niederlagen. Besonders wichtig ist das für perfektionistische Menschen, denen nie etwas gut genug ist. Versuchen Sie zu verinnerlichen, dass Fehler menschlich sind, man aus Niederlagen lernen kann und sie für das persönliche Wachstum und die Gestaltung (künftiger) Beziehungen nützliche Hinweise liefern. Es ist wichtig, sich eine Haltung anzueignen, mit der Misserfolge nicht automatisch als katastrophal bewertet werden, sondern vielleicht sogar als Chance betrachtet werden. Das Bewusstmachen der eigenen Emotionen sorgt bereits dafür, dass wir besser damit umgehen können und mögliche Wachstumschancen entdecken können.

Gleichzeitig ist es wichtig, den Fokus zu weiten. Wir sollten uns nicht in unsere Gefühle hineinsteigern, zum Beispiel indem wir immer wieder darüber sprechen. Am besten akzeptieren wir, dass es nun einmal so passiert ist, und versuchen, das Geschehene loszulassen. Wir können es nicht ändern, sondern lediglich bestmöglich mit den Konsequenzen umgehen und für die Zukunft daraus lernen. 

2. Aus Fehlern lernen durch möglichst objektive Analyse

Versuchen Sie, einen Schritt herauszutreten, um das große Ganze und die Zusammenhänge zu sehen. Räumliche, persönliche und zeitliche Distanz zu schaffen, erleichtert das Einnehmen einer objektivierten statt der stark emotional gefärbten subjektiven Wahrnehmungsposition. Das gelingt Ihnen zum Beispiel, indem Sie schriftlich festhalten, was passiert ist – und zwar in der dritten Person („Person A hat … Dann hat Person B …“). So sehen Sie die Fakten schwarz auf weiß vor sich und kreieren eine gewisse Distanz, so als betrachteten Sie das Problem von jemand anderem. Fragen Sie sich dazu: 

  • Was würde eine außenstehende Person zu dem Geschehenen sagen? 
  • Wie würde ich reagieren, wenn so etwas meinem besten Freund / meiner besten Freundin passiert wäre? 
  • Wie würde ich wohl in fünf Jahren auf dieses Problem zurückblicken?

Durch eine solche Analyse erkennen Sie im besten Fall, was wirklich aus der Situation herauszulesen ist, zum Beispiel „Ich habe meine Bewerbung am Abend des letzten Einsendetages abgeschickt; vielleicht kam ich deshalb nicht mehr in die engere Auswahl.“. Aber achten Sie darauf, nicht irgendwelche Gründe im Kopf zu ergänzen, die jeglicher Grundlage entbehren, zum Beispiel „Bestimmt bin ich dem Unternehmen zu unerfahren.“ oder „Die nehmen da eh nur Leute, die sich unter Wert verkaufen.“. 

Brainstormen Sie zusätzlich, welchen Anteil an der Niederlage Sie in künftigen ähnlichen Situationen besser machen können. Beschreiben Sie dabei, statt zu bewerten und achten Sie auf Benennung von Fakten statt auf Mutmaßungen. Was waren wohl die Gründe, die zu Ihrer Niederlage geführt haben? Im Beispiel der Jobabsage: Unkenntnis oder mangelndes Wissen, Unachtsamkeit, Unfähigkeit, Lustlosigkeit, unglückliche Umstände, Pech, eine Frage der Wahrscheinlichkeit (z. B. 1.000 Bewerbungen auf eine Stelle) …? Es ist wichtig, hier ehrlich zu sich selbst zu sein. Manchmal neigen wir auch zu Schuldverschiebung, wenn wir uns für unseren eigenen Anteil zu sehr vor uns selbst schämen (hier mehr zum Thema).

Und wenn nicht genügend Fakten vorhanden sind, halten Sie sich an die Regel „mehr informieren, weniger interpretieren“. Suchen Sie die offene Kommunikation und fragen Sie nach, woran es gelegen hat, dass Sie keinen Erfolg hatten oder dass etwas nicht so funktioniert hat, wie Sie es sich erhofft hatten (in den Fällen, in denen andere Personen und Entscheidungsträger bei Ihrer Niederlage involviert waren). 

Lassen Sie schließlich das Thema nach all diesen Maßnahmen wirklich los und verzeihen Sie sich selbst. Denn selbst, wenn im Außen alles geklärt ist und auch niemand mehr uns etwas nachträgt, können wir uns selbst das Leben schwermachen durch anhaltende Selbstvorwürfe und negative Gefühle. In diesem Artikel erfahren Sie, wie (Selbst-)Vergebung gelingt. Nachdem Sie aus Ihrer Erfahrung gelernt und die damit verbundenen schmerzhaften Empfindungen so gut wie möglich losgelassen haben, wenden Sie Ihren Fokus davon ab, blicken Sie in die Zukunft und kommen Sie ins Tun: Welche positiven und gestaltenden Schritte können Sie gehen, um bei einem neuen Projekt erfolgreich zu sein? 

3. Das Ganze mit Humor nehmen

Die Krönung eines konstruktiven Umgangs mit Niederlagen besteht in einem sehr reifen, fast immer empfehlenswerten Abwehrmechanismus: Humor! Wer über sich selbst lachen kann, signalisiert sich und anderen damit einen großzügigen, wohlwollenden Umgang mit sich selbst. Gleichzeitig stärkt Humor die eigenen Abwehrkräfte, sowohl auf körperlicher Ebene als auch mental in Form von Resilienz. Natürlich schmerzen einige Niederlagen sehr und es gelingt nicht immer sofort, das Geschehene aus einer augenzwinkernden Perspektive zu betrachten. Wer es trainiert, dem wird dies jedoch mit der Zeit immer leichter fallen. Beispiele: den Gästen zu einem missratenen Essen sagen „Ich wollte eigentlich gar nichts Leckeres kochen, sondern habe das Essen absichtlich ruiniert, weil ich uns in Wirklichkeit eine Pizza bestellen wollte.“; zur Jobabsage gegenüber Freunden kommentieren „Bei der zehnten Absage gebe ich einen aus!“. Über sich selbst lachen zu können und sich nicht zu ernst zu nehmen bei gleichzeitiger Arbeit an sich selbst, um es beim nächsten Mal besser zu machen, ist eine optimale Mischung.

 

Die wichtigste Grundlage für beruflichen Erfolg und persönliche Zufriedenheit bildet eine Lebensführung in Übereinstimmung mit Ihrer Persönlichkeit. Sie zu kennen, ist der erste Schritt. Mit unserem kostenfreien Schnuppertest bieten wir Ihnen die Möglichkeit, ihn zu gehen und einen ersten Einblick in Ihr Inneres zu erhalten.

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