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Job Crafting: Was nicht passt, wird passend gemacht

Job Crafting: Was nicht passt, wird passend gemacht

Wenn bestimmte Aspekte unseres Jobs nicht zu uns passen, müssen wir uns dann entweder damit abfinden oder den Arbeitsplatz wechseln? Nein, ersteres sowieso nicht und zweites nicht verfrüht. Job Crafting bietet durch selbstständige Gestaltung unserer Arbeit gemäß unseren eigenen Bedürfnissen eine bessere Lösung. Ragnhild Struss stellt die Methode vor.

Mit Ihrem Job sind Sie eigentlich ganz zufrieden, wäre da nur nicht diese Handvoll nerviger Aspekte, über die Sie sich immer wieder aufregen? ‚Da kann man wohl nichts dran ändern.‘ und ‚Es ist eben kein Job perfekt.‘, denken viele dann vielleicht. Mit dem arbeitspsychologischen Prinzip des „Job Crafting“ könnten solche Gedanken jedoch bald der Vergangenheit angehören. Es handelt sich dabei um das aktive und individuelle Gestalten der eigenen Arbeitsbedingungen, wobei innere Motivation, Selbstständigkeit und Autonomie eine zentrale Rolle spielen. Statt passiv die Umstände der Arbeit hinzunehmen und nur darauf zu reagieren, können Sie einen wirklichen Unterschied erzielen, wenn Sie nicht nur an Ihre Aufgaben, sondern auch an Ihre Job-Person-Passung proaktiv und gestaltend herangehen. 

Ziele und Ebenen von Job Crafting

Neben seinen Fähigkeiten, Talenten und Stärken hat jeder Mensch in Bezug auf seine Arbeit bestimmte Bedürfnisse, Präferenzen und Wünsche. Werden diese langfristig nicht erfüllt, führt das zu Frustration, Demotivation und Stress. Das Konzept des Job Crafting möchte dem entgegenwirken und wird als ein „Weg, eine größere Passung zwischen dem Einzelnen, der Arbeit und der Organisation herzustellen“ betrachtet. Es stammt aus der positiven Organisationspsychologie sowie der Wirtschafts- und Arbeitspsychologie. Als Kernidee wird davon ausgegangen, dass es immer möglich ist, kleine Anpassungen am eigenen Job vorzunehmen – mit dem Ziel, Arbeit optimal auf die eigenen Stärken abzustimmen, Zufriedenheit und Motivation zu steigern und so letztendlich auch dem Unternehmensziel zu dienen.

Dabei sind es vor allem fünf Drehschrauben bzw. Bereiche, in denen Sie beim Job Crafting gestalterisch tätig werden können. Alle setzen voraus, dass Sie Ihr Potenzial kennen und sich Ihrer Bedürfnisse bewusst sind. Schließlich erreichen Sie vor allem durch den Einsatz Ihrer Signatur-Stärken (der am meisten ausgeprägten) sowie der Befriedigung Ihrer Job-Bedürfnisse das Gefühl von „Berufung“, höhere Leistungsfähigkeit und mehr Zufriedenheit. Die Grundlage des Job Craftings bildet also die Exploration – eine ausführliche Analyse Ihrer selbst, der beruflichen Rolle und des Arbeitskontextes, in dem Sie sich derzeit befinden. 

  • Aufgabenbereich: Wir können das, womit wir uns Tag für Tag beschäftigen, anpassen, etwa bestimmte Aufgaben delegieren oder vereinfachen, neue Aufgaben hinzunehmen oder unsere Arbeitsabläufe so verändern, dass sie mehr unserer Veranlagung entsprechen. Beispiel: Ein Mensch mit Stärken im kreativen Bereich kann eine Datenpflege-Aufgabe an einen Kollegen übergeben, dem Details und Struktur mehr liegen. Ist dies nicht möglich, so kann die Datenpflege-Aufgabe beispielsweise in mehrere kleine Einheiten heruntergebrochen werden, sodass die Person sich nicht zu lange am Stück damit befassen muss und so weniger demotiviert wird.
     
  • Biorhythmus und Produktivität: Niemand ist den ganzen Tag über gleichermaßen kraftvoll oder konzentriert. Den Verlauf der eigenen Leistungskurve zu kennen und die Erledigung unterschiedlicher Aufgabenbereiche daran anzupassen hat insofern eine motivierende Wirkung, als dass man sich beispielsweise im Mittagstief nicht unter Druck setzt, kreative oder strategische Lösungen zu erarbeiten, was einem eventuell viel besser am Morgen gelingen würde. 
     
  • Arbeitsbeziehungen: Es steckt riesiges Potenzial darin, zum Beispiel durch offene Kommunikation oder neue Kooperationspaarungen im Team die Zusammenarbeit von Personen zu verändern. So ist es immer hilfreich, sich mit seinen Kollegen ehrlich über deren und eigene Erwartungen und Bedürfnisse beim Arbeiten auszutauschen und so Missverständnisse aus dem Weg zu räumen und optimierte Abläufe zu ermöglichen. Beispiel: Während eine Person beim Arbeiten vor allem Ruhe und Konzentration braucht, könnte ihre Kollegin durch Austausch motiviert sein – und sie deshalb ohne böse Absicht stören. Ein offenes Gespräch schafft Abhilfe; zudem kann sich die durch Teamwork aufblühende Kollegin Gleichgesinnte suchen und vor allem entsprechende Aufgaben wie Brainstorming übernehmen.
     
  • Wahrnehmung der Arbeit: Schließlich hängt es immer auch von unserer Einstellung zu unserem Job ab, ob wir daraus Sinn und Freude ziehen oder Aspekte als negativ bewerten und uns unzufrieden fühlen. Werden wir von einschränkenden Glaubenssätzen und einem Fokus auf den Mangel geleitet, wird es uns schwerfallen, überhaupt mit irgendeiner Arbeit zufrieden zu sein – während wir im Gegenteil mit der richtigen Haltung viel „herausholen“ können. Beispiel: Egal in welcher Branche – wir können immer bewusst entscheiden, das Sinnvolle an unserer Arbeit ins Auge zu fassen, die übergeordnete Bedeutsamkeit in den Vordergrund rücken, zu der man einen Beitrag leistet. So kann sich beispielsweise ein Mitarbeiter im Lager eines Supermarktes bewusstmachen, dass er zur anhaltenden Grundversorgung sehr vieler Menschen beiträgt (Stichwort „Systemrelevanz“).
     
  • Planen und Entscheiden: Nach ausführlicher Analyse der Ist-Situation sowie der Bestimmung der neuen Soll-Situation im bestehenden Job geht es um die konkrete Beantwortung der Fragen „Wie kann ich es umsetzen?“, „Mit welchen Hindernissen oder Risiken muss ich rechnen?“ und „Welche Unterstützung brauche ich?“. Denn bevor Sie sich in einem anderen Unternehmen nach einem Job umsehen, der Ihren neu gewonnenen Erkenntnissen entspricht, sollten Sie in dieser Phase überprüfen, ob nicht auch Ihre derzeitige Position veränderbar ist.

Wer profitiert besonders von Job Crafting?

Grundsätzlich ist das proaktive Gestalten der eigenen Arbeitsbedingungen etwas, was jedem Menschen zu empfehlen ist. Studien haben jedoch ergeben, dass Personen mit bestimmten Charaktereigenschaften eher bereit sind, ihr berufliches „Schicksal“ in die eigene Hand zu nehmen und wenn nötig Änderungen vorzunehmen. So neigen eher Menschen zum Job Crafting, die im Big-Five-Persönlichkeitstest stärkere Ausprägungen in den Dimensionen Offenheit für neue Erfahrungen, Extraversion, Gewissenhaftigkeit und Durchsetzungsfähigkeit aufweisen. Aber auch Personen mit erhöhten Neurotizismus-Werten, die also emotional eher sensibel sind, machen sich offenbar Job Crafting zunutze, um ihre Arbeitssituation stressfreier zu gestalten. Und Menschen mit hohen Werten im Bereich sozialer Verträglichkeit profitieren von ihren „sozialen Ressourcen“ im Job – sie sind also besonders gut darin, durch die Optimierung ihres Verhältnisses zu Arbeitskollegen ihre Situation positiver zu gestalten. 

Positive Effekte von Job Crafting

Es konnte gezeigt werden, dass sich Job Crafting sehr positiv auf Engagement und Leistung von Arbeitnehmern auswirkt. Das lässt sich unter anderem mit den erstrebenswerten Effekten von Autonomie und Verantwortungsübernahme erklären: Sobald wir merken, dass wir selbst Dinge bewegen und zum Positiven hin verändern können, wächst unsere sogenannte Selbstwirksamkeitsüberzeugung. Wir glauben an unsere Fähigkeiten, die Möglichkeit, unsere Umwelt aktiv zu beeinflussen und daran, dass es sich lohnt, sich zu engagieren. Daraus entsteht ein fruchtbarer Kreislauf: Je motivierter und eigeninitiativer wir agieren, desto mehr Erfolge können wir verbuchen und desto mehr traut man uns zu, was wiederum zu noch mehr Eigenständigkeit und Verantwortungsgewinn führt. Wer im Rahmen von Job Crafting also beginnt, gestalterisch auf seine Arbeit einzuwirken, kann einen positiven Schneeballeffekt auslösen, der zu einer zufriedeneren beruflichen Zukunft führt.

So ermitteln Sie konkrete Job-Crafting-Maßnahmen für sich

Stellen Sie sich für die fünf Bereiche des Job Crafting die folgenden Fragen, halten Sie Ihre Antworten am besten schriftlich fest und werden Sie anschließend aktiv – ob eigenständig oder im Austausch mit Ihren Vorgesetzten –, um Ihre Arbeitsumstände mehr an Ihre Fähigkeiten und Bedürfnisse anzupassen.

Aufgabenbereich:

  • Welche Aufgaben fallen mir besonders leicht und motivieren mich?
  • Wie kann ich diesen mehr Raum in meinem Job verleihen?
  • Welche Aufgaben fallen mir schwer oder demotivieren mich?
  • Was kann ich tun, um diese Aufgaben mehr auf meine Bedürfnisse zuzuschneiden oder sie zu reduzieren?
  • Welche Talente habe ich und welche (neuen) Aufgaben passen besonders gut dazu?
  • Welche Schwächen habe ich und welche Aufgaben sollten daher lieber von jemand anders erledigt werden?

Biorhythmus und Produktivität:

  • Morgenmensch oder Eule: Zu welchen Tageszeiten fühle ich mich besonders leistungsfähig?
  • An welchen Stellen kann ich meinen Workflow (zum Beispiel Reihenfolge von Aufgaben) anpassen, um mit mehr Energie arbeiten zu können?
  • Welche Aufgaben erfordern am wenigsten Konzentration und könnte ich auf bei mir weniger leistungsfähige Zeiten legen?
  • Welche fokusintensiven Aufgaben kann ich in meinen „Bestphasen“ erledigen?
  • Welche Maßnahmen helfen mir, mich in energieschwachen Phasen wieder fitter zu fühlen bzw. „Hänger“ zu vermeiden (z. B. genug trinken, gesunde Snacks, Bewegung, frische Luft …)?

Arbeitsbeziehungen:

  • Mit wem kann ich besonders gut zusammenarbeiten? Warum?
  • Welche Projekte könnte ich künftig gemeinsam mit diesen Menschen angehen?
  • Mit wem fällt mir die Zusammenarbeit (aktuell) schwer? Woran liegt das vermutlich?
  • Wie kann ich die Kooperation und Kommunikation mit diesen Personen verbessern?
  • Welche Maßnahmen tun mir und meinem Team gut? 
  • Wie können wir noch mehr davon in unseren gemeinsamen Arbeitsalltag integrieren?
  • Welche Aspekte stressen mich und mein Team oder binden unnötig viel Energie?
  • Wie können wir diese minimieren oder abstellen?

Wahrnehmung der Arbeit:

  • Mit welcher inneren Grundeinstellung betrachte ich meinen Job oder Arbeit im Allgemeinen? Ist sie eher positiv und offen oder eher negativ und ablehnend?
  • Wie kann ich meine Einstellung so verändern, dass ich mehr das Positive in den Fokus nehme?
  • Welche Aspekte an meiner Arbeit sind positiv, wenn ich einmal genau hinsehe? Wofür bin ich bei meiner Arbeit dankbar?
  • Welche eher negativen Aspekte sind vielleicht weniger schlimm als in meiner bisherigen Wahrnehmung?
  • Was ist an meiner Arbeit sinnvoll oder bedeutsam (wenn auch erst bei näherer Betrachtung)?
  • Was bringt mir meine Arbeit, worüber ich Freude empfinde (monetär, ideell, inhaltlich, stimmungsbezogen …)?

Planen und Entscheiden:

  • Zusammengefasst: Welche Änderungsmaßnahmen möchte ich bis wann umsetzen?
  • Wie sieht die Ordnung nach Priorität dieser Maßnahmen aus?
  • Wessen Hilfe brauche ich dafür? Wen sollte ich ins Boot holen?
  • Welche Hindernisse oder Risiken werden wahrscheinlich auftreten und wie kann ich diese überwinden bzw. minimieren?
  • Welche Alternativen habe ich, wenn eine Maßnahme nicht von Erfolg gekrönt ist?

Fazit

Auch wenn es für einige zunächst ungewohnt sein mag, nicht einfach ihre Arbeitsbedingungen so hinzunehmen, wie sie sind, und es einen gewissen Mut braucht, eigeninitiativ daran etwas zu verändern: Job Crafting ist in jedem Fall einen Versuch wert! Möglicherweise gelingt es Ihnen, einen weniger geschätzten Job doch noch so umzugestalten, dass er Ihnen mehr Freude bereitet und Sie weniger stresst – davon profitieren Ihr tägliches Wohlbefinden und Ihre Gesundheit und Sie können auf eine Kündigung und den Aufwand der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz verzichten. Und wenn sich Ihre Arbeit auch nach dem Versuch einer Optimierung immer noch nicht als erfüllend für Sie herausstellt, dann haben Sie einerseits bereits Kräfte mobilisiert, um proaktiv etwas an Ihrer Situation zu verbessern und andererseits wissen Sie nun viel genauer, nach was Sie für Ihre nächste Stelle suchen sollten. Das wird Ihnen auf dem Arbeitsmarkt und in einer neuen Position zugutekommen.

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