#Persönlichkeitsentwicklung

Wie wir mit Dopaminfasten suchtartiges Verhalten in den Griff bekommen

Wie wir mit Dopaminfasten suchtartiges Verhalten in den Griff bekommen

Es fühlt sich gut an, sich mit Dingen zu belohnen, die uns Freude bereiten. Was aber, wenn dieser Mechanismus überhandnimmt und wir eine gewisse Abhängigkeit von diesen Belohnungen entwickeln? Ragnhild Struss verrät, was der Botenstoff Dopamin damit zu tun hat und wie Sie das Problem mit „Dopaminfasten“ in den Griff bekommen. 

Schnell mal zwischendurch Facebook checken, sich einen Schokoriegel als Stimmungsaufheller gönnen oder eine bis zehn Runden des Lieblings-Smartphone-Games zocken – noch nie in der Geschichte der Menschheit bot unser Lebensumfeld uns derart viele Möglichkeiten für schnelle, kleine Kicks und Belohnungen. Während in früheren Zeiten Phasen der Langeweile selbstverständlich zum Leben dazugehörten, lassen wir es heute kaum noch dazu kommen. Unsere Aufmerksamkeitsspanne ist kurz geworden und wir sind es gewohnt, allzu schnell zu etwas zu greifen, das uns entertaint. Doch was steckt hinter diesem fast suchtartigen Verhalten, das uns wie ferngesteuert immer wieder zum Handy, zu Snacks oder zu einem anderen „Glücksmittel“ der Wahl greifen lässt?

Kleiner Botenstoff, große Wirkung: wie Dopamin uns beeinflusst

Das Belohnungssystem unseres Gehirns ist evolutionär betrachtet ein überlebenswichtiger Mechanismus: Wenn wir etwas tun, was das eigene Überleben und das der Spezies sichert, fühlt sich das für uns gut an – und wir wiederholen das Verhalten gerne. Was sich in der frühen Menschheitsgeschichte vor allem auf kalorienreiche Nahrung, soziale Nähe, Sex und Lernen durch Spiel bezog, hat in unserer heutigen Zeit verschiedenste, zum Teil intensivere Formen angenommen: nicht mehr nur natürliche Nahrung, sondern speziell für Höchstgenuss designte Zuckerbomben, nicht mehr nur persönliche Kontakte, sondern soziale Bestätigung über Social Media, nicht mehr nur Sex, sondern auch Pornographie, nicht mehr nur spielerisches Lernen, sondern Glücksspiel und Gaming. Außerdem sind wir darauf programmiert, Belohnungen nicht zu lange aufzuschieben – was in einer Zeit des Mangels wie zu Beginn der Menschheitsgeschichte sinnvoll war, in der heutigen Überflussgesellschaft jedoch leicht zu Süchten führen kann. 

Alle Aktivitäten, die uns als Belohnung ein angenehmes Gefühl verheißen, werden von dem Botenstoff Dopamin gesteuert: Er hat einen motivations- und antriebssteigernden Effekt und bringt uns dazu, uns den „Glücklichmachern“ zuzuwenden. Im Gegensatz zu anderen Glückshormonen wie Serotonin, die eher im Moment wirken, sorgt Dopamin langfristig dafür, dass wir immer wieder eine „Dosis“ unserer Belohnung haben wollen. So weit, so gut. Problematisch wird es nur, wenn dieses Belohnungssystem außer Kontrolle gerät und als angenehm erlebtes Verhalten suchtartige Züge annimmt. Es handelt sich dabei zwar nicht um körperliche Süchte wie bei Nikotin, Alkohol oder Drogen, aber doch um eine psychische Abhängigkeit, die unser Leben mehr und mehr bestimmt. 

Wie viel ist zu viel? Die Grenze zwischen Genuss und Sucht

Es ist selbstverständlich positiv, wenn uns beispielsweise das Essen schmeckt oder wir uns beim Sport so richtig auspowern. Auch ist grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, bei einem Computerspiel zu entspannen, sich mal mit Online-Shopping zu belohnen oder das Smartphone mehrmals täglich zur Hand zu nehmen. Laut Schätzungen gibt es für 90 Prozent aller Menschen etwas, auf das sie im Alltag nicht verzichten möchten oder können – sei es Kaffee, Internetnutzung oder Joggen. Doch ab wann ist es zu viel des Guten und wir drohen, in eine Sucht zu schlittern? Achten Sie bei sich oder anderen Menschen auf die folgenden Anzeichen, die die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) als deutliche Symptome betrachtet: 

  • Starkes Verlangen, das gewünschte Verhalten auszuüben bzw. das Mittel zu konsumieren (Beispiel: Man greift automatisch alle zehn Minuten zum Smartphone, um zu sehen, ob es neue Meldungen gibt.)
     
  • Fortschreitender Kontrollverlust über Dauer und Häufigkeit des Verhaltens bzw. Menge des Konsums (Beispiel: Eigentlich will man nur eine Folge einer Serie gucken, bleibt dann aber bis 3 Uhr wach, weil man die ganze Staffel per „Bingewatching“ anschaut.)
     
  • Unfähigkeit zu verzichten, selbst wenn das Verhalten bzw. der Konsum bereits negative Konsequenzen für die sozialen Beziehungen oder die eigene Gesundheit hat (Beispiel: Weil man immer wieder über seine Mittel hinaus shoppt, ist man verschuldet und kann seinen Anteil der WG-Miete nicht zahlen – und kauft trotzdem weiter ein.)
     
  • Toleranzbildung führt dazu, dass man für einen ähnlichen „Kick“ immer höhere Dosen der Aktivität bzw. des Mittels braucht (Beispiel: Früher trank man mal eine Tasse Kaffee am Tag, jetzt müssen es schon sechs sein, damit man überhaupt noch einen Effekt verspürt.)
     
  • Entzugserscheinungen treten auf, wenn das Verhalten nicht ausgeübt werden kann (z. B. Nervosität oder Aggression) bzw. die Substanz nicht konsumiert werden kann (z. B. Kopfschmerzen, Zittern, Schlafstörungen) (Beispiel: Man kann sich auf der Arbeit nicht mehr konzentrieren und zappelt nervös auf dem Stuhl umher, weil die Gedanken nur um den nächsten Casinobesuch kreisen.)
     
  • Schließlich findet ein Rückzug aus dem Sozialleben statt, weil das eigene Interesse (fast) nur noch dem süchtig machenden Verhalten bzw. Mittel gilt (Beispiel: Treffen mit „echten“ Freunden sagt man zunehmend ab, weil man lieber Zeit mit dem stundenlangen Feilen am eigenen Social-Media-Profil verbringt.)

 

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Mit Dopaminfasten raus aus dem ungesunden Kreislauf

Vorab sei angemerkt, dass ernsthafte Suchterkrankungen, bei denen mehrere der genannten Symptome in starkem Maße zutreffen, immer in Begleitung eines erfahrenen Psychologen bzw. Arztes behandelt werden sollten. Wenn Sie beim Lesen der Anzeichen hingegen nur ein leichtes, aber dennoch wahrnehmbares ungutes Gefühl bekommen haben, weil Ihnen bestimmtes (Sucht-)Verhalten durchaus ein wenig bekannt vorkommt, können Sie mit bewusstem „Dopaminfasten“ gegensteuern.

Der Kalifornische Verhaltenspsychologe Cameron Sepah hat das Konzept des Dopaminfastens 2019 auf Basis wissenschaftlich-empirischer Untersuchungen geprägt und bekannt gemacht. Die Grundidee besagt, dass wir impulsives, dopaminvermitteltes Verhalten wie exzessive Smartphone-Nutzung oder Gaming in den Griff bekommen, wenn wir bewusst in bestimmten Zeiten darauf verzichten: stunden-, tage- oder auch wochenweise. Denn durch die exzessive Nutzung sind wir permanent extrem hohe Dosen von Dopamin gewohnt, es entsteht ein gewisser Abnutzungseffekt und wir empfinden nur noch wenig Freude bei gleichzeitig Überhand nehmendem Konsum. Indem wir bestimmtes Verhalten kontrolliert reduzieren, entwöhnen wir uns von der andauernden Dopaminflut, werden langfristig auch für „niedrigere Dosen“ wieder empfänglicher und können uns wieder besser auf andere Bereiche unseres Lebens konzentrieren. 

Mit Phasen des Dopaminfastens ahmen wir in gewisser Weise „Dürrezeiten“ nach, die der frühe Mensch ganz automatisch erlebte. In jeder Religion gibt es zudem Verzichtübungen, Fastenarten und zur Mäßigkeit aufrufende Gebote. Auch bei der Kindererziehung haben wir den instinktiven Impuls, unseren Kindern nicht einfach unbegrenzt alles zu erlauben, was Spaß macht. Es deutet also menschheitsgeschichtlich alles darauf hin, dass uns Phasen des Verzichts zwischendurch guttun, wir als Menschen dafür ausgelegt sind und uns bewusst dazu entscheiden. Die folgenden Vorteile bringt Dopaminfasten mit sich:

  • Die Reizschwelle normalisiert sich: Statt immer mehr von etwas für den gleichen Effekt zu benötigen, werden wir wieder empfänglicher auch für moderate Reizintensitäten. 
     
  • Wir empfinden wieder mehr Freude an den „normalen“ Dingen: Aufgrund der intensiveren Wahrnehmung infolge des Dopaminfastens können wir auch kleinen, alltäglichen Tätigkeiten oder Dingen wieder mehr abgewinnen und diese mehr genießen.
     
  • Unsere Motivation fürs Arbeitsleben steigert sich: Motivation hat auch etwas mit der Aussicht auf Belohnung zu tun. Überschreitet bereits „Alltägliches“ wie ein kleines Lob oder das erfolgreiche Erledigen einer Aufgabe unsere Reizschwelle zum Belohnungsgefühl, werden wir uns auch wieder lustvoll an unsere Standard-Aufgaben setzen.
     
  • Soziale Beziehungen verbessern sich: Indem wir uns wieder mehr an dem erfreuen, was wir auch im „Normalzustand“ bereits haben, empfinden wir verstärkt Dankbarkeit. Das wirkt sich auch auf unsere Beziehungen aus: Wir können Mitgefühl entwickeln mit Menschen, die weniger haben, und haben wieder mehr Zeit, um uns den wichtigen Personen in unserem Leben zu widmen. 
     
  • Unser Selbstwirksamkeitsgefühl wächst: Wenn wir den „Trieb“ durch unseren Verstandeswillen „besiegen“, holen wir uns dadurch Kontrolle über unser Verhalten zurück und spüren unsere eigene Kraft. Das stärkt unsere Überzeugung, auch anstrengende oder schwierige Vorhaben bewältigen zu können.
     
  • Wir haben mehr Zeit für Produktivität: Indem wir (eher konsumorientiertes) Verhalten reduzieren, dem wir uns bisher übermäßig hingegeben haben, ist plötzlich wieder mehr Zeit übrig – die wir produktiv und kreativ nutzen können und in der wir wirklich etwas (er)schaffen. Das zu tun, steigert unser Selbstwertgefühl.  

Mit den folgenden drei Tipps gelingt Ihnen das Dopaminfasten und Sie befreien sich von allzu hartnäckigen Gewohnheiten:

1.    Problematisches Verhalten identifizieren und den Grund erkennen

Im ersten Schritt sollten Sie – logisch – zunächst einmal erkennen, welches liebgewonnene Verhalten bzw. Konsumieren in Ihrem Leben etwas aus dem Ruder gelaufen ist. Beobachten Sie sich zu diesem Zweck ein paar Tage lang in Ihrem Alltag: Wie oft öffnen Sie Instagram? Wie häufig gehen Sie zu spät ins Bett, weil Sie noch im Internet surfen? Wie viele Tafeln Schokolade essen Sie in der Woche – oder gar am Tag? Dass Sie ein bestimmtes Thema angehen sollten, erkennen Sie auch daran, dass Sie sich trotz viel Zeit damit bzw. großer Menge davon nicht wirklich erfüllt fühlen. Das führt zum nächsten Punkt: Fühlen Sie in sich hinein, wonach Sie sich EIGENTLICH sehnen, was Ihnen Ihr Verhalten jedoch gar nicht im erhofften Maße gibt. Lieben Sie es, wenn in Social Media Daumen und Herzen aufploppen? Dann wünschen Sie sich soziale Bestätigung und Liebe. Glüht bei Ihnen der Controller der Spielekonsole? Dann fehlen Ihnen vielleicht Abenteuer und Aufregung im „real life“. Überlegen Sie, wie Sie Ihre Ziele mit positiveren und wirklich erfüllenden Gewohnheiten erreichen könnten. Bei manchen leichten Süchten steckt auch kein konkreter Grund dahinter, sondern sie sollen allgemein als schnelle Glücksquelle herhalten, weil man es sich einfach so angewöhnt hat. 

2.    Gesunde Alternativen per „Gewohnheitstausch“ etablieren

Im Kern des Dopaminfastens geht es darum, bestimmtes Verhalten zu reduzieren. Hierzu können Sie sich Regeln aufstellen (und am besten schriftlich festhalten), wie „Ab 20 Uhr beginnt meine screenfreie Zeit“, „Ich trinke nur noch eine Tasse Kaffee am Tag“ oder „Jeden Monat kaufe ich nur ein Kleidungsstück“. Wenn es so einfach wäre, hätte jedoch jeder problemlos sein Verhalten unter Kontrolle – und bräuchte gar kein Dopaminfasten. Kleine Freuden im Alltag sind grundlegend wichtig, und es geht deshalb nicht darum, überhaupt nichts mehr zu tun, wobei Dopamin und andere Glückshormone ausgeschüttet werden. Aber wir können das womöglich auf eine gesündere Art erreichen, indem wir uns mit dem „Gewohnheitstausch“-Prinzip langsam umgewöhnen. Dabei verknüpfen Sie zunächst die alte, zu reduzierende Gewohnheit mit einer neuen, der Sie in Ihrem Leben mehr Raum verschaffen wollen: Zum Beispiel gönnen Sie sich weiterhin Ihre Lieblingsserie auf Netflix, aber nur, wenn Sie dabei auf dem Laufband im Gym trainieren. Oder Sie essen ein Stück Sahnetorte – immer wenn Sie 30 Seiten in einem Sachbuch lesen und sich weiterbilden. Im besten Falle macht Ihnen mit der Zeit Ihr neues Verhalten per se Spaß und schüttet Dopamin aus, und Sie können das alte Verhalten zum Großteil oder ganz weglassen. 

3.    Mit einem „Abundance“-Mindset am Ball bleiben

Eine Einstellung, welche die Fülle („abundance“) betont – also das, was wir bereits haben und wofür wir dankbar sein können – ist eine wesentlich positivere Grundlage zum Regulieren der eigenen Gewohnheiten als ein Mindset des Mangels („scarcity“). Sie erkennen den Unterschied an Ihren Gedanken. Kommen Ihnen häufig Sätze in den Sinn wie „Ich brauche jetzt etwas Süßes, mir ist langweilig!“, „Ich will mich wieder schön fühlen, deshalb kaufe ich mir jetzt ein Kleid und Makeup.“ oder „Gerade ist alles blöd bei mir, ich will jetzt mal abschalten und mein Game zocken.“? Dann betonen Sie das, was Ihnen (vermeintlich) fehlt – und geben Ihrem Unterbewusstsein somit immer wieder das negative Gefühl, dass die Lage nicht toll ist und man unbedingt etwas Äußeres braucht, um das zu ändern. Sagen Sie sich stattdessen: „Ich erlebe interessante Dinge und lasse mich von der Natur inspirieren“, „Ich fühle mich schön, nehme ein Bad und betreibe Self-Care.“ oder „Ich ändere Dinge in meinem Leben zum Besseren und beginne mit dem Aufräumen meiner Küche.“. Dann gehen Sie zum einen von einem angenehmen Grundgefühl aus, dass Sie bereits alles haben, was Sie brauchen – und können sich auf dieser Basis leichter für eine gesündere Verhaltensvariante entscheiden. 

Vorsicht vor Extremen!

Viele Medien haben das Konzept des Dopaminfastens verzerrt und übertrieben dargestellt: Man solle nicht nur auf Smartphone, Internet und Gaming verzichten, sondern auch auf Kontakt zu anderen Menschen, Lesen und andere schöne Erlebnisse. Das war nicht die Intention des Konzepterfinders Cameron Sepah: Dopamin ist per se etwas Gutes bzw. Neutrales – lediglich die extreme Dopaminausschüttung durch eine gewisse Tätigkeit soll reguliert werden. Zu geringe Dosen von Dopamin können langfristig auch in eine depressive Verstimmung führen. Deshalb achten Sie darauf, sich beim Dopaminfasten nicht von allem abzuschneiden, was Ihnen Freude bereitet. Reduzieren Sie nur das Verhalten, was bei Ihnen aus dem Ruder gelaufen ist, und behalten Sie sich Genuss in anderen Bereichen bei. Denn auch das ist für unsere seelische Balance wichtig. 

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