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#Persönlichkeitsentwicklung

Was deine Wut dir sagen will – Eine Gebrauchsanweisung für das kraftvolle Gefühl

Was deine Wut dir sagen will – Eine Gebrauchsanweisung für das kraftvolle Gefühl

Kaum ein anderes Gefühl verunsichert so sehr, wie die Wut – bei anderen, aber vor allem bei uns selbst. Selten hinterfragen wir uns mehr, als wenn sich dieses starke Empfinden in unserem Bauch breitmacht. Ist das nicht bemerkenswert? Die meisten empfinden es als angemessen, zu weinen, wenn sie traurig, oder zu lachen, wenn sie glücklich sind. Aber sich Luft zu machen, wenn man wütend ist? Hand auf’s Herz – das geschieht meist nur in der Fantasie. Man könnte postulieren, die Wut sei das am häufigsten verdrängte Gefühl. Dabei hat die Evolution sie uns in ihrer Entwicklung nicht umsonst gelassen – wie alle anderen Gefühle, hat auch die Wut eine Funktion, und zwar eine besonders wertvolle. Sie rückt uns selbst in unser Bewusstsein, wenn wir uns zu weit davon entfernt haben. Und damit auch in das der anderen. Dies ist ein Plädoyer für mehr Mut zur Wut.

Wie Ärger zur Wut wird

Wut, Ärger, Aggression, Frust, Zorn und Groll – sie alle sind Ausdrucksformen eines inneren Aufruhrs. Man könnte auch von verschiedenen Eskalationsstufen desselben Grundgefühls sprechen. Wer die Abläufe bis zur Wut und darüber hinaus seziert, merkt schnell, dass weit vor der Wut der Ärger kommt. Versuche es einmal selbst. Wie fühlt es sich an, zu sagen: „Das finde ich ärgerlich“ – und im Vergleich dazu: „Das macht mich wütend“? Die emotionale Intensität unterscheidet sich deutlich, oder? Außerdem sind die Perspektiven unterschiedlich: wir finden etwas ärgerlich, aber sind wütend.

Ärger entsteht, wenn eine Erwartung, die wir an eine Situation haben, enttäuscht wird. Wir nehmen jene dann zwar als negativ wahr, sind dabei jedoch emotional unberührt und eher in einer objektiven Beobachterrolle. Ein Beispiel: Deine Kollegin hatte zugesagt, ihren Teil eines Projekts bis Ende der Woche zu erledigen. Nun ist sie krank geworden, und du musst einspringen. Dadurch kannst du dein Training am Mittwoch nicht wahrnehmen. Eine ärgerliche Situation, gewiss. Aber solange du weißt, dass sie umgekehrt auch für dich in die Bresche springt – kein Problem.

Dieses Beispiel könnte auch anders erlebt werden. Vielleicht ist es bereits öfter vorgekommen, dass die Kollegin sich krankgemeldet und ihre Arbeit auf dich abgeladen hat. Vielleicht ist es sogar so, dass wenn du krank bist, die Kollegin deine Aufgaben nicht in dem Maß übernimmt, wie du es für sie machst.

Das ist der Punkt, an dem Wut entsteht: Sie beschreibt nicht wie der Ärger das Abweichen einer Situation von der eigenen Erwartung, sondern richtet sich auf eine Person, die deine Erwartungen enttäuscht. Zu dem erhöhten Arbeitsaufwand mischt sich ein Gefühl der Ungerechtigkeit. Und damit: Wut.
Wut ist demnach immer ein Zeichen von Betroffenheit. Wir erinnern uns an oben: man ist wütend. Sie zeigt, dass wir persönlich involviert, zu 100% mit dem Gefühl identifiziert, sind. Sie reißt uns aus der Fassung, überrollt unser klares Denken – zumindest für einen Moment. Sie beschreibt nicht mehr nur eine Irritation innerhalb einer Situation, sondern richtet sich gegen etwas. Und gerade darin liegt ihre Wirkung: Wut aktiviert. Sie ist eine Kraftquelle, die uns spüren lässt, dass eine Grenze überschritten wurde, ein Bedürfnis unerfüllt bleibt, ein Wert verletzt oder ein Ziel blockiert wird. Sie macht die eigene Betroffenheit erfahrbar. Und setzt Energie frei.

Doch jetzt wird es kompliziert: In der explosiven Mischung aus starkem Gefühl und körperlicher Reaktion entsteht das Misstrauen gegen die eigens empfundene Wut. Alle anderen Gefühlszustände bringen uns dazu, uns unserem sozialen Umfeld anzunähern oder zumindest anzupassen. Die Wut hingegen ist das einzige Gefühl, das auf soziale Distanz zielt – schließlich nennt man sie auch die Trennungsaggression. Aus diesem Grund wird die Energie der Wut für viele als bedrohlich wahrgenommen: Als soziale Wesen sind wir auf Verbindung ausgerichtet. Wut aber scheint diese Verbindung zu gefährden. Sie wird assoziiert mit Kontrollverlust, mit einem Verhalten außerhalb der Norm, mit einem Danach, das sich nicht mehr reparieren lässt. Und doch hat Wut eine Funktion – paradoxerweise nicht selten eine Verbindende. Deine Wut ist nämlich für dich da, um deine Grenzen zu verteidigen, wenn sie zu lange oder zu weit überschritten wurden. Und genau in dieser Klarheit liegt ihr Potenzial – wenn wir lernen, sie zu kontrollieren und so zu kommunizieren, dass sie uns zu echter Sichtbarkeit verhilft. Denn wer darin gesehen, respektiert und toleriert wird, wird sich seinem Gegenüber erst so richtig nahe fühlen.

Die positiven Seiten deiner Wut

Wut ist kein Gefühl, das Kinder als erwünscht beigebracht bekommen. „Jetzt reiß dich aber mal zusammen“, hat wahrscheinlich jeder früher mal gehört. Wie das mit Hans und Hänschen läuft, ist landläufig bekannt. Das Problem mit der Wut ist nun, dass sie dieses emotionale Ungetüm bleibt, das wir lieber schnell zur Seite schieben, als ihm nachzugeben. Das Resultat: viele haben nie einen richtigen Umgang mit der Wut erlernt. Sie ist assoziiert mit Aggression, laut zu werden und, andere zu verletzen. Viele empfinden diese Verhaltensweisen nicht als zu ihnen gehörend. Doch Achtung. Die Lösung dafür, sich mit diesen Reaktionen auf Wut nicht identifizieren zu können, ist nicht, die Wut zu verdrängen. Sondern, unseren Umgang damit neu zu lernen. Das Gefühl der Wut ist lediglich der relevante Hinweis. Was man damit macht, entscheidet nicht die Energie der Wut, sondern man selbst. Die Wut gibt uns an erster Stelle die Möglichkeit, einen starken Impuls in Erkenntnisse und konstruktive Handlungsenergie umzuwandeln. Doch dafür muss man sie sich erlauben.

Was deine Wut dir mitteilt und wie du sie nutzen kannst

Deine Grenzen wurden verletzt

Die Wut dient nun zur Grenzaktualisierung. Dass deine Grenzen überschritten wurden, kann sich darin äußern, dass deine Werte missbilligt, deine Bedürfnisse ignoriert oder eine Leistung, die dich viel Energie gekostet hat, nicht gesehen wurden. Dann bedeutet deine Wut, dass du diese Grenze wiederherstellen solltest. Achtung: wer sie unterdrückt, läuft Gefahr, die Grenze in Form von passiv aggressivem Verhalten zu ziehen. Ein Umgang, der unbeabsichtigt oft auch zur sozialen Distanz führt. Um einen reifen Umgang mit seiner Wut zu pflegen braucht sie Raum, um mit die kommunizieren zu dürfen und von dir verstanden zu werden: Welches Bedürfnis ist gekränkt? Welche Person triggert dich? Welcher Aufwand war dir eigentlich zu viel? Diese Erkenntnisse sind die Grundlage für den konstruktiven Umgang mit deiner Wut.

Es muss sich etwas verändern

Die Wut ist ein Wärme erzeugendes Gefühl - sie aktiviert Muskeln und das menschliche System nicht beiläufig oder zufällig. Sie macht uns bereit, zu handeln. Sie verleiht ihrem Träger Mut, sich für Werte einzusetzen. Sie markiert Ungerechtigkeit, die durch das Empfinden der Wut wieder hergestellt wird. Wut führt auch dazu, dass man sichtbar wird und fordert so die Menschen um sich herum auf, zu reagieren, sich mit der sichtbar gewordenen Position auseinanderzusetzen. Wut kann also ein ganzes System verändern. Dafür brauchst du lediglich die Kompetenz, die Klarheit, die in ihr steckt, in klare, respektvolle und ausgewogene Worte zu packen. Grenzen werden auch sichtbar, wenn man sie freundlich formuliert.

Etwas ist aus der Balance gekommen

Es ist ein häufiges Phänomen – der Partner muss nur einmal zu laut kauen und schon formiert sich die Wut im Bauch. Ist das Gefühl der Situation angemessen? Wahrscheinlich nicht. Beinhaltet es die Information, dass an anderer Stelle ein Ungleichgewicht entstanden ist? Wahrscheinlich schon. Die eigene Wut hilft dabei, Beziehungen bewusster zu führen und verbessert sie, wenn sie zum Anlass genommen wird, die intensive Empfindung zur Reflexion zu nutzen.

Wut? Was ist Wut?

Wird sich die eine oder andere Person beim Lesen denken und sich eventuell dabei ertappen, wie sie sich mit dem Beschriebenen kaum identifizieren kann – auch wenn sie rational weiß, dass es manchmal angebracht wäre, Wut zu empfinden. Wenn du dich davon angesprochen fühlst, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass du eine Frau bist. Frauen erleben im Rahmen ihrer Sozialisierung weit häufiger eine Verstärkung sozial angepassten Verhaltens. Kooperation, Fürsorglichkeit und Rücksichtnahme gelten – insbesondere in klassischen Rollenbildern – als „weibliche“ Tugenden. Im Gegensatz dazu wird Männern noch immer häufig ein dominanter, durchsetzungsstarker bis aggressiver Habitus zugeschrieben. Wenn eine Frau wütend auftritt, entsteht beim Gegenüber nicht selten eine kognitive Dissonanz: Die gelebte Emotion widerspricht der verinnerlichten Erwartung, wie sich eine Frau „zu verhalten hat“. Diese innere Irritation führt oft zur Abwertung – sei es durch offene Kritik, subtile Herabwürdigung oder implizite Distanzierung. Dominanz, Aggression oder deutliche Grenzsetzung gelten bei Frauen schnell als „überzogen“, „unangemessen“ oder gar „problematisch“.

Deswegen ist für Frauen, und alle anderen Menschen, die sich eher im angepassten Spektrum wähnen, häufig der erste Schritt im Umgang mit Wut, das abtrainierte Gefühl zurückzuholen. Was dabei hilft, ist einen häufigen Abwehrmechanismus zu verstehen. Viele (Frauen) empfinden statt Wut Empathie und schlagen so die Brücke zum Gegenüber, indem dessen unangebrachtem Verhalten mit Verständnis reagiert wird. Die eigene Positionen und Grenzen werden dadurch negiert. Diese Empathie „schützt“ in der Regel vor der eigenen Wut – führt allerdings auch dazu, selbst nie richtig in Erscheinung zu treten. Ein erster vorsichtiger Schritt Richtung Wahrnehmung der eigenen Grenzen könnte also sein, sich in diversen Situationen die Frage zu stellen (ganz im Privaten und nur für sich selbst), wie man sich verhalten würde, wenn man das Verhalten nur von seinen Gefühlen, Bedürfnissen oder Werten abhängig machen würde. Das könnte dazu führen, einen ganz neuen Blick auf die Situation – und auf sich selbst – zu werfen.

Wut ist also alles andere als negativ. Sie führt auch nicht dazu, dass Kontrolle verloren geht – im Gegenteil. Sie erzeugt Kontrolle, durch die Klarheit, die sie schafft, die Hinweise, die sie gibt. Du musst ihr nur den Raum geben, den sie einfordert. Wie dir eine angemessene Reaktion mit ihr gelingt, ganz ohne Wutausbruch, findest du hier.

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