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Selbstfürsorge: Warum es wichtig ist, für sich zu sorgen

Selbstfürsorge: Warum es wichtig ist, für sich zu sorgen

Was bedeutet es eigentlich, Selbstfürsorge zu praktizieren? Und wozu ist das gut? Ragnhild Struss erläutert, wieso die Sorge für uns selbst entscheidend für unser Wohlbefinden ist und woran es liegt, dass sie uns im Alltag oft schwerfällt.

In der Theorie wissen wir alle ziemlich gut, was wir bräuchten, um uns wohl zu fühlen, ausgeglichen und leistungsfähig zu sein: ausreichend Schlaf, regelmäßige und ausgewogene Mahlzeiten, eine gute Work-Life-Balance, bedeutsame Beziehungen, genügend Bewegung, Zeit für uns selbst. Oft ist die Liste gar nicht so lang.

Aber in der Praxis sieht es anders aus, denn zwischen Wissen und Tun liegt oft ein ganzes Meer. So sehr uns auch bewusst sein mag, was wir fürs eigene Wohlbefinden eigentlich tun müssten, sollten, könnten, so schwer fällt es im Alltag, das Wissen in die Tat umzusetzen. Welche Arbeit entspricht mir wirklich? Welche Beziehungen tun mir gut? Welche Freizeitbeschäftigung gibt mir Kraft? Welche Form der Bewegung brauche ich und welche Ernährung ist für mich am besten geeignet? Diese Fragen der Selbstreflexion benötigen Zeit – eine kleine Unterbrechung im täglichen Hamsterrad. Daran schließt sich unmittelbar die Frage an, wie man es zeitlich überhaupt schafft, sich selbst Gutes zu tun und sich mit Energie zu versorgen – bei all den Anforderungen von außen.

Klar, es wertet uns gefühlt auf, stärkt das Selbstwertgefühl, wenn wir uns in die Arbeit stürzen, mit aller Konzentration bei der Sache sind und das Lob der Vorgesetzten einheimsen. Wenn wir die Rolle als Mutter ernst nehmen und immer für die Familie da sind. Wenn wir die Bedürfnisse unserer Freunde berücksichtigen und nicht nur an uns denken. Gehen wir in unserem Tun aber hauptsächlich auf äußere Anforderungen ein oder in dem Engagement für andere so auf, dass wir uns selbst dabei vernachlässigen, schadet es am Ende nicht nur unserem eigenen Wohlbefinden, sondern auch unserer Arbeit und unseren Beziehungen.

Statt die Gründe für Erschöpfung oder Unwohlsein ausschließlich im Außen zu suchen, tut es gut, sich an unsere Eigenverantwortung zu erinnern. Daran, dass es nicht nur in unserer Macht liegt, sondern auch unsere Aufgabe ist, uns liebevoll um uns zu kümmern, genug Energiespender ins Leben zu integrieren, dafür zu sorgen, dass es uns gut geht. Und dass wir diese Aufgabe genauso ernst nehmen sollten, wie all die anderen Dinge, denen wir uns mit Leidenschaft widmen.

Im ersten Teil dieses Artikels hissen wir eine Flagge für die Selbstfürsorge: Es lohnt es sich, im Job wie auch im Privaten, Techniken der Selbstfürsorge zu lernen und diese als festen Bestandteil in den Alltag zu integrieren.

Was ist Selbstfürsorge?

Das Prinzip Selbstfürsorge bedeutet, sich Zeit für Dinge zu nehmen, die dabei helfen, persönlich gut zu leben und die eigene seelische sowie körperliche Gesundheit zu verbessern. Laut WHO versteht man darunter die Fähigkeit von Individuen, Familien und Gemeinschaften, Gesundheit zu fördern und zu erhalten, Krankheit vorzubeugen und mit Krankheit umzugehen. Selbstfürsorge hilft dabei, Stress leichter zu bewältigen und die Energie zu steigern. Schon Sokrates lehrte, wie wichtig die Sorge um sich selbst sei und erklärte die Selbstkenntnis der Seele zum zentralen Gegenstand der Selbstsorge. Demnach bedeutet Selbstfürsorge einerseits eine wertschätzende Haltung gegenüber sich selbst einzunehmen, eigene Bedürfnisse zu kennen und das eigene Befinden ernst zu nehmen. Andererseits geht Selbstfürsorge mit aktivem Handeln einher und bedeutet, sich um die eigene Bedürfnisbefriedigung zu kümmern und aktiv zu seinem Wohlbefinden beizutragen.

Von den drei Säulen, auf denen ein gesundes positives Selbstwertgefühl aufbaut, ist Selbstfürsorge bzw. Selbstliebe eine. Die anderen sind Selbstbewusstsein (sich zu kennen, sich seiner selbst bewusst zu sein) und Selbstvertrauen (das Gespür von Verlass auf die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen). Mit Selbstfürsorge bzw. Selbstliebe ist eine wohltuende Art der Selbstzuwendung gemeint, die die eigene Lebensgestaltung nach den eigenen Werten, Bedürfnissen und Wünschen ausrichtet, so dass persönliches Wohlbefinden immer wieder hergestellt wird und Wachstum im Sinne der Persönlichkeitsentwicklung möglich ist. Konkret bedeutet das, fürsorglich mit sich selbst umzugehen, was in der Folge zu mehr Selbstakzeptanz führt, also dazu, sich so anzunehmen, wie man ist. Darunter fällt Ressourcen aufzubauen, zu pflegen und zu aktivieren und auch, nachsichtig mit sich selbst sein und für das eigene Sinnerleben zu sorgen. 

Zusammengefasst kann man sagen, dass Selbstfürsorge bedeutet, auf sich zu achten, für sich zu sorgen, eigene Bedürfnisse wahrzunehmen und sich selbst zu geben, was man braucht. 

Die Grundvoraussetzung dafür ist die Kenntnis der eigenen Bedürfnisse und Energiequellen. Damit das möglich ist, müssen wir in Kontakt mit uns selbst sein – was zwischen Meetings, Kinderbetreuung, Steuererklärung und Wocheneinkäufen schnell verloren gehen kann. Für das Ziel der Selbstfürsorge ist Selbstregulation (Selbststeuerung) nötig, sprich mentalen Umgang mit den eigenen Gefühlen und Stimmungen zu pflegen sowie die Fähigkeit, Absichten durch zielgerichtetes und realitätsgerechtes Handeln zu verwirklichen, also Umsetzungsstärke oder Willenskraft. Oder anders formuliert: die Fähigkeit, Motive zu priorisieren, Ziele zu entwerfen, Handlungspläne zu entwickeln und diese in kontrollierten Schritten umzusetzen, bis das Ziel erreicht ist oder aufgegeben werden muss.

Wie wirkt Selbstfürsorge?

Zahlreiche Gründe sprechen dafür, dass wir der Selbstfürsorge einen Platz in unserem Alltag einräumen sollten. Die positive Beziehungsgestaltung mit sich selbst hat Auswirkung auf alle weiteren Lebensbereiche. Je besser wir für uns sorgen, desto empathischer sind wir mit anderen, desto besser können wir bedeutungsvolle Beziehungen eingehen und pflegen. Selbstfürsorge hilft außerdem dabei, in die eigene Kraft zu kommen und im Blick zu behalten, wo persönliche Grenzen liegen und wie viel Kraft man gerade zur Verfügung hat.

Zu wissen, was uns selbst guttut und was nicht, ermöglicht u. a., zwischen dem zu unterscheiden, was Energie gibt und was Energie zieht (Energiespender und Energiefresser), es trägt zu einer authentischeren Lebensgestaltung bei, sowohl im Job als auch in der Freizeit und führt dazu, dass wir nicht im Autopiloten agieren, sondern kongruent zu unserer Persönlichkeit. Wenn wir spüren, was wir brauchen und das nach außen kommunizieren, können wir Pausen machen, wenn wir erschöpft sind, Termine verschieben, wenn sie gerade nicht reinpassen und Grenzen setzen, um uns vor Überlastung zu schützen. Diese Form der Selbstfürsorge lässt uns Krisen besser bewältigen, blockierende Konflikte aus dem Weg räumen und Probleme lösen, die uns belasten.

Wenn wir uns um unsere Selbstfürsorge kümmern, hat das zur Folge, dass wir souveräner mit den eigenen Gedanken und Stimmungen umgehen lernen und uns stabiler, sicherer und gefestigter im Leben fühlen. Wir verspüren mehr Kraft, sind gesünder und fühlen uns mit uns selbst wohl (Selbstliebe). Die Selbstfürsorge kann auch als Prävention gesehen werden, um Stabilität zu fördern und langfristig gesund zu sein. Darüber hinaus trägt sie zur Resilienz bei: Die Resilienzforschung zeigt auf, welche (trainierbaren) Eigenschaften Menschen besonders widerstandsfähig machen. Selbstfürsorge stellt die Basis dazu dar, diese Eigenschaften als Kompetenzen ausbauen zu können.

Was steht der Selbstfürsorge im Weg?

Warum ist es so schwer, Selbstfürsorge zu leben? Obgleich die Gründe individuell ganz unterschiedlich sein können, treffen einige auf die meisten von uns zu: Unser Leben ist schnell getaktet und unheimlich komplex geworden, der Alltag bringt unzählige Belastungsfaktoren mit sich. Allein die Bereiche Beruf und Privatleben so zu gestalten, dass beide ausreichend Raum und Aufmerksamkeit bekommen, ist zu einer großen Aufgabe geworden. Gleichzeitig verdichten sich die faktischen und psychischen Anforderungen der Arbeitswelt stetig, hoher Zeit- und Termindruck sowie eine generell große Arbeitsmenge stehen auf der Seite der äußeren Anforderungen. Hinzu kommen innere Herausforderungen wie der Druck, Leistung zu erbringen, gefallen und verschiedenen Gruppen (Arbeitgeber, Familie, Freunde) gerecht werden zu wollen. Immer wieder müssen Entscheidungen getroffen werden, welcher Lebensbereich, welche Aufgabe gerade höhere Priorität hat und was hintenangestellt werden muss, und gerade leistungsorientierte oder gefällige Menschen neigen dazu, die eigenen Bedürfnisse – und damit sich selbst – auf später zu verschieben. 

Auch die vermehrte Außenorientierung kann dazu führen, dass die Aufmerksamkeit mehr auf die Wirkung als auf das Sein gerichtet wird. Dann stehen Fragen im Vordergrund wie: Was denken andere von mir? Wie kommt mein Verhalten bei den Kolleg*innen an? Was sagt die Chefin, wenn ich pünktlich das Büro verlasse? Wie reagiert mein Partner, wenn ich Zeit für mich alleine beanspruche? Wie kommt die Schwiegermutter damit zurecht, wenn ich den geplanten Ausflug absage – zugunsten meiner Selbstfürsorge? Um nicht den Unmut anderer auf sich zu ziehen und Konflikte zu vermeiden oder, scheint es auf den ersten Blick die einfachere Lösung, sich selbst zu vernachlässigen, um die Beziehungen, den Job, das Ansehen zu sichern.

Stress und damit einhergehend weniger Raum und Bewusstsein für Selbstfürsorge können auch durch schnelle Veränderungszyklen, sowie die selbstverständlich gewordene permanente Erreichbarkeit entstehen. Die Weltlage wird immer unübersichtlicher, die Berufswelt unbeständiger. Während es früher Normalität war, ein Leben lang im selben Betrieb zu arbeiten, sind heute karriereoptimierende Wechsel oder Kurzzeitverträge an der Tagesordnung und auch eine komplette Neuorientierung mitten im Berufsleben ist mittlerweile eher der Standard als die Ausnahme. Die sich schnell verändernden äußeren Bedingungen erfordern eine enorme innere Anpassungsleistung jedes einzelnen – Prozesse, die zusätzliche Energie benötigen.

Woran erkennt man, dass man NICHT gut für sich sorgt?

So sind wir im Alltag oft derart weit von uns selbst entfernt, dass wir gar nicht spüren, was wir eigentlich brauchen. Wir funktionieren, ohne in echtem Kontakt mit uns selbst zu sein. Aufmerksam werden wir oft erst, wenn sich bereits deutliche psychische oder physische Anzeichen zeigen, wie ein erhöhtes Stresserleben, das Gefühl von Erschöpfung oder vermehrte Krankheitstage. 

Mit überzähligen Energieräubern – wie beispielsweise Kontakten, die uns nicht guttun, ungeklärten Konflikten, Lebensthemen, für die wir noch keine Lösung haben, einem Job, der nicht zufriedenstellt oder einer belastenden Beziehungssituation – kostet uns der Alltag nicht nur mehr Energie als uns zur Verfügung steht, sondern diese Merkmale können auch bereits ein Symptom von mangelnder Selbstfürsorge sein. Wer ständig unter Strom steht, sich gestresst, erschöpft und psychisch belastet fühlt, ist bereits weit über den Punkt hinaus, an dem er oder sie im besten Fall damit hätte beginnen sollen, sich liebevoll sich selbst zu widmen. Doch dafür müssen wir erst einmal erkennen, wie es uns geht. 

Die erste Dimension der Selbstfürsorge ist das Erkennen Ihres Zustandes, die zweite das entsprechende Handeln. Lektion Nummer eins in Sachen Selfcare lautet: Fangen Sie an, sich zu spüren (wie geht es Ihnen eigentlich genau?) und zu erkennen, was Sie brauchen – im besten Fall, bevor Ihr Körper deutliche Signale sendet. Denn wenn Sie erst am Nachmittag merken, dass Sie noch gar nichts gegessen haben, wenn Kopf- oder Rückenschmerzen Sie daran erinnern müssen, dass Sie seit Stunden in derselben ungesunden Haltung sitzen, dann haben Sie sich bereits vernachlässigt.

Erwischen Sie sich bei Sätzen wie: „Nur noch mal eben schnell“, „Ich muss noch kurz“, „Eigentlich müsste ich erst noch …“. Genau in diesen Momenten ist es an der Zeit, innezuhalten. Fragen Sie sich: Muss ich wirklich? Wer sagt das? Muss es jetzt sofort sein? Oder ist gerade etwas anderes wichtiger – zu essen, eine Pause zu machen, einmal tief durchzuatmen? Was würden Sie tun, wenn Sie nicht fremdbestimmt wären?

Und dann? Meditation für alle?

Nein! In der Beschäftigung mit dem Thema Selbstfürsorge gibt es keine One-fits-all-Lösung! Auch hier gilt: Yoga, ein Schaumbad oder „Me-time“ dienen nicht automatisch dem Zweck. Es kommt immer auf die individuellen Bedürfnisse und die aktuelle Situation an. Wenn Sie bei einem ausgiebigen Kräuterbad innerlich zur Ruhe kommen und entspannen, dann kann es für diesen Moment eine gute Möglichkeit der Selbstfürsorge sein. Wenn Sie währenddessen im Kopf To-do-Listen umschreiben und ständig auf die Uhr schielen, wann Sie genug gebadet haben und endlich wieder Ihren Erledigungen nachgehen können, war die Zeit in der Wanne womöglich nicht das Passendste. Ebenso wenig hilfreich ist es, sich die Abende nach der Arbeit mit Yogakursen, Verabredungen, und Joggingrunden zu verplanen, wenn man sich eigentlich nach einem Abend alleine auf der Couch sehnt. Und nicht jede hat morgens die Ruhe zu meditieren. Welches Bedürfnis aktuell auftaucht und gestillt werden will, kann nicht pauschal beantwortet werden. Es gilt, immer wieder aufs Neue zu spüren, was Sie gerade brauchen und vor allem, wie die Befriedigung Ihrer Bedürfnisse gut in Ihr individuelles Leben zu integrieren ist – die Grundlage einer gelungenen Selbstfürsorge.

So können auch unkonventionelle Dinge, die man nicht damit assoziieren würde, ein Akt der Selbstfürsorge sein: Das Gespräch mit der Vorgesetzten suchen, um weitere berufliche Schritte zu planen, den Konflikt in der Partnerschaft ansprechen und aus dem Weg räumen, die Verabredung mit der ehemaligen Schulfreundin verschieben, endlich den Termin zur Zahnreinigung ausmachen, Disziplin erlernen statt aufzuschieben, das eigene Zuhause gemütlich zu gestalten, gute Bücher zu lesen, alleine wandern zu gehen, einen Kunstkurs zu besuchen. 

Denken Sie mal drüber nach, am besten mit Zettel und Stift: Was würde Ihnen so richtig guttun? Was ist die eine Sache, von der Sie wissen, dass Sie sie ändern sollten, damit es Ihnen besser geht? In welchem Lebensbereich wünschen Sie sich mehr Energie und wie könnten Sie sie erreichen? Was bereitet Ihnen richtig viel Freude und wie könnten Sie mehr davon ins Leben integrieren?

Im zweiten Teil dieses Artikels erfahren Sie, wie Selbstfürsorge konkret aussehen kann, wie es gelingt, diese im Alltag umzusetzen und wie Sie überhaupt herausfinden, was Sie brauchen. 

 

Die wichtigste Grundlage für beruflichen Erfolg und persönliche Zufriedenheit bildet eine Lebensführung in Übereinstimmung mit Ihrer Persönlichkeit. Sie zu kennen, ist der erste Schritt. Mit unserem kostenfreien Schnuppertest bieten wir Ihnen die Möglichkeit, ihn zu gehen und einen ersten Einblick in Ihr Inneres zu erhalten.

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