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„Schon wieder alles falsch!“ Wie wir lernen, negative Kritik zu äußern und anzunehmen

„Schon wieder alles falsch!“ Wie wir lernen, negative Kritik zu äußern und anzunehmen

Kritisieren will gelernt sein – so, wie in der Überschrift, geht es schon mal nicht. Doch in welcher Form ist Kritik sinnvoll? Wann nutzt sie und wann schadet sie? Ragnhild Struss erläutert, worauf es beim Feedbackgeben ankommt, wie wir die eigene Kritikfähigkeit trainieren und was es mit dem inneren Kritiker auf sich hat.

Unser ganzes Leben lang sind wir fremden Meinungen ausgesetzt, Feedback und Kritik sind in unserer Kultur omnipräsent. Überall werden wir bewertet: Noten in der Schule, Punkte im Studium, Beurteilungen im Job, im Privaten und in den sozialen Medien. Hier ein beiläufiger Kommentar, dort eine kritische Anmerkung – und allzu oft nehmen wir das, was andere uns entgegenbringen, persönlich. Als wäre das nicht schon genug, gibt es zu den vielen Stimmen von außen auch noch die in uns selbst, die nicht selten sogar um einiges schärfer urteilen. In diesem Text soll beleuchtet werden, wie wir es schaffen können, konstruktiv mit unangenehmer Kritik umzugehen, wie wir sie äußern und annehmen lernen und auf welche Art und Weise wir unserem inneren Kritiker am besten begegnen.

Wie Kritik wirkt – in uns selbst und bei anderen

Innerhalb von negativer Kritik kann zwischen konstruktiver Kritik auf der einen Seite, die respektvoll und förderlich ist und an deren Ziel eine optimale Lösung steht, und destruktiver Kritik auf der anderen Seite unterschieden werden, die weder sachdienlich, noch wohlwollend oder weiterführend ist und deren Absicht eher das Attackieren und Verletzen von Gefühlen ist. Wichtig ist aber nicht nur die dahinterstehende Absicht des Kritikers bzw. Senders, sondern auch der Empfänger sollte überprüfen, auf welchem Ohr er das entgegengebrachte Feedback hört.

Kritik kann erst einmal verunsichern. Sie stellt infrage, was wir oder wie wir etwas gemacht haben und bewertet unsere Leistung. Besonders treffen kann Kritik, wenn es dabei nicht nur um ein Ergebnis unserer Arbeit geht, sondern um unser Verhalten oder gar um uns als Person im Beziehungskontext. Fühlen wir uns in Gänze bewertet oder kritisiert, kann es den eigenen Selbstwert mindern.

Typische Reaktionen auf Kritik, von der man sich getroffen fühlt, sind Abwehr, Verteidigung oder Rechtfertigung. Ähnlich wie bei Stress (fight, flight, freeze), sind auch ein Angriff – in Form eines verbalen „Zurückschießens“ – Jammern oder Resignation und Rückzug nicht ungewöhnlich. Zwar sind dies keine besonders reifen Reaktionen auf unangenehmes Feedback oder empfundene Kränkungen, doch sie sind menschlich. Es ist normal, dass wir Einwände oder Unzufriedenheiten mit unserem Verhalten nicht immer gerne hören. Aber letztendlich entscheidend ist, was wir daraus machen. Denn wichtig ist zu bedenken, dass wir nur die Kritik annehmen, der wir teilweise selber zustimmen. Das kann man ruhig zweimal lesen: Wir reagieren nur angefasst auf Kritik, mit der wir irgendwie selbst ein Thema haben.

So beinhalten negative Rückmeldungen und Anmerkungen von außen als eine Art Spiegel die Chance, uns selbst aus einer anderen Perspektive zu sehen. Wir alle haben blinde Flecken, die wir alleine nur schwer zu fassen bekommen. Selbst sehr reflektierte Menschen stoßen an Grenzen, wenn es um die Selbsterkenntnis geht. Es heißt eben „Unbewusstes“, weil es uns selbst nicht bewusst ist. Kritik kann dann dabei helfen, die Stellen in uns zu beleuchten, die uns bisher nicht bewusst waren. Wir brauchen andere Menschen, andere Wahrnehmungsfilter und Persönlichkeiten, um uns selbst zu erkennen – gerade da, wo es um unsere Schattenseiten geht, unsere verdrängten Anteile und ungeliebten Verhaltensweisen. Fragen Sie sich also: Was löst diese Kritik in mir aus? Woran erinnert sie mich? Warum ist meine Reaktion so heftig?

Fremdkritik: Feedback einordnen

Wenn Sie selbst der Empfänger von kritischem Feedback sind und im Job oder in der Beziehung kritisiert werden, ist es hilfreich, nicht sofort auf das Gesagte zu reagieren. Erweitern Sie den Raum zwischen Reiz und Reaktion. Ordnen sie den Kommentar zunächst einmal innerlich – sowohl auf der Sach-, als auch auf der Personenebene – ein.

Fragen Sie sich: Wer sagt das? Von wem kommt der Kommentar? Ist es jemand, der Ihnen wohlgesonnen ist und üblicherweise auf Ihrer Seite steht? Kennt sich die Person in den in den relevanten Inhalten aus? Sich das bewusst zu machen, lässt Sie die Kritik anders hören und macht Sie zugänglicher, selbst wenn die Anmerkung erstmal unangenehm sein mag. Vielleicht stellen Sie fest, dass die Kritik von jemandem kommt, der prinzipiell an allem herummäkelt und nie zufrieden ist? Dann können Sie daraus schließen: Die Kritik hat wahrscheinlich weniger mit Ihnen oder Ihrer Arbeit zu tun, sondern mehr mit dem Kritiker, dessen Ziel es ist, Fehler zu finden und zu kritisieren.

Es ist auch sinnvoll zu fragen, worum es bei der Kritik geht: Geht es um die Sache? Beispielsweise darum, ein gemeinsames Ziel zu erreichen, ein Produkt zu verbessern, den Umsatz zu steigern oder die Qualität zu optimieren? Oder geht es darum, die eigene Position zu demonstrieren oder zu verteidigen, den anderen in die Schranken zu weisen, Machtverhältnisse zu klären? Da letzteres meist unbewusst geschieht, sollten wir uns immer auch selbst fragen, sowohl wenn wir Kritik üben, als auch wenn wir Kritik empfangen: Worum geht es hier gerade? Auf welcher Ebene befinden wir uns, auf der Sachebene oder auf der persönlichen? Das ist die Voraussetzung, um beide voneinander zu trennen und adäquat auf die Kritik reagieren zu können. 

Destruktive Selbstkritik: Die kritischen Stimmen in uns

Neben dem, was von außen an uns herangetragen wird – sei es das Feedback der Vorgesetzten für unsere Arbeit oder der Kommentar eines Freundes zu unserem Outfit – gibt es die Stimme in uns selbst, die permanent kommentiert und bewertet, oft ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Etwa 25 Prozent der täglichen Gedanken sind negativ. Nicht wenige davon richten wir gegen uns selbst. Der sogenannte innere Kritiker kann unverhältnismäßig streng und hart im Urteil sein, viel härter, als wir je mit anderen sprechen würden. Das Problem dabei: Seine Stimme hat großen Einfluss auf unseren Selbstwert, unsere Gedanken und Gefühle und damit auf unser Verhalten, weshalb es sich lohnt, genauer zu betrachten, was er sagt und was er damit eigentlich erreichen will. 

Innerlich sprechen wir den ganzen Tag mit uns – nur ist uns meist gar nicht bewusst, welche Stimmen da zum Ausdruck kommen. Leider ist der innere Dialog oft mit negativen Bewertungen von uns selbst verknüpft. Wir sehen in den Spiegel und mäkeln an uns herum: „Wie du schon wieder aussiehst!“ Wir werden wütend auf uns selbst, wenn wir hinter unseren eigenen Erwartungen zurückbleiben: „Na toll, das war ja klar, dass das nichts wird“, verurteilen uns und machen uns nieder: „Wie konntest du so blöd sein?!“. Das Problem dabei ist, dass wir nicht zwischen Verhaltens- und Identitätsebene unterscheiden. Ein Fehler führt dazu, dass der innere Kritiker an der Person herummäkelt, anstatt eine Verhaltensänderung vorzuschlagen. Im schlimmsten Fall geht dieser negative Umgang mit uns selbst so weit, dass er zur Verachtung der eigenen Person führt. Und genau hier wartet bereits die erste Herausforderung, nämlich uns gerade jetzt nicht auch noch dafür zu verurteilen oder zu bestrafen, dass es uns noch nicht gelingt, liebevoll und wertschätzend mit uns selbst umzugehen und zu kommunizieren. Doch keine Sorge, das lässt sich üben.

Im ersten Schritt geht es darum, sich selbst zu beobachten: Fragen Sie sich: Was sagt der innere Kritiker, die innere Kritikerin? Welche Gedanken, welche Stimmen in uns, sind ihm/ihr zuzuordnen? Oft äußern sich unsere inneren Kritiker in Form von Selbstzweifeln, Scham- und Schuldgefühlen, Infragestellen und negativen Zukunftsszenarien, was sich z. B. so anhören kann:
 

„War das wirklich gut genug?“

„Kann ich das schaffen?“ 

„Das hätte besser sein müssen.“

„Ich habe es schon wieder vermasselt.“

„Warum kann ich nicht endlich mal etwas richtig machen?“

„Das wird niemals funktionieren.“

„Ich bin einfach nicht schlau genug.“

„Warum warst du schon wieder so laut?“


Wer sich diese Sätze immer wieder sagt, wird irgendwann glauben, dass sie wahr sind. Als Ausdruck unserer inneren Überzeugungen entfalten sie ihre Wirkung und halten uns in negativen Spiralen aus Selbstzweifeln und Selbstverurteilungen fest. Doch wollen wir wirklich so mit uns selbst sprechen? Was haben wir davon? Dienen diese negativen Annahmen vielleicht dazu, uns vor Unheil zu bewahren? Vor Zurückweisung und Scheitern zu schützen? Und gelingt uns das auf diese Weise? Vermutlich stellen Sie fest, dass diese kritischen inneren Anteile zwar Ihr Bestes wollen, aber es auf eine nicht sehr hilfreiche Art und Weise versuchen. Wäre es nicht viel schöner, sich selbst mit etwas mehr Wohlwollen zu betrachten und den Fokus öfter auf das zu lenken, was positiv ist?

Wenn Sie schon so kritisch im Umgang mit sich selbst sind, dann hinterfragen Sie doch auch mal diesen kritischen, defizitären Blick auf sich selbst: Ist der wirklich angebracht? War wirklich ALLES schlecht? Haben Sie noch NIE etwas geschafft? Bei differenzierterer Betrachtung werden Sie feststellen: Das harte Urteil gegen Sie ist nicht gerecht und beleuchtet nur einen kleinen Ausschnitt Ihrer Leistung/ Ihres Verhaltens/ Ihrer Person. 

Wenn die Selbstkritik überhandnimmt, kann sie lähmen, uns davon abhalten, berufliche Ziele zu verfolgen oder private Träume zu verwirklichen. Dann ist es ratsam, die kritischen Stimmen genauer zu analysieren und nicht alles zu glauben, was sie uns weismachen wollen.

Zum Wert der konstruktiven Selbstkritik

Ist Selbstkritik konstruktiv, kann sie auch viel Positives bewirken, nämlich dann, wenn sie sich eher auf die Verhaltensebene bezieht, als die Person in ihrem Wert infrage zu stellen. Wenn sie nicht vernichtend ist, sondern einen wohlwollenden Blick auf uns selbst bewahrt. Wenn wir in einen respektvollen, fördernden und auf Wachstum ausgerichteten inneren Dialog mit uns einsteigen. Dann hilft sie uns dabei, alte Gewohnheiten, Einstellungen und Muster immer wieder zu hinterfragen, uns weiterzuentwickeln, ehrgeizig zu sein und uns nicht auf dem auszuruhen, was wir erreicht haben. Sie kann antreiben, zu neuen Lösungen und kreativen Projekten motivieren und damit die Entfaltung und Entwicklung unserer Persönlichkeit fördern.

Im zweiten Teil des Artikels geht es darum, warum wir uns gegenseitig viel öfter Feedback geben sollten, worauf es dabei ankommt und wie wir selbst lernen, mit Kritik umzugehen.

 

Die wichtigste Grundlage für beruflichen Erfolg und persönliche Zufriedenheit bildet eine Lebensführung in Übereinstimmung mit Ihrer Persönlichkeit. Sie zu kennen, ist der erste Schritt. Mit unserem kostenfreien Schnuppertest bieten wir Ihnen die Möglichkeit, ihn zu gehen und einen ersten Einblick in Ihr Inneres zu erhalten.

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