Der Trigger-Kompass - für Momente, in denen du dein Cool verloren hast

von Ragnhild Struss
Schritt 1 – Wahrnehmen ohne zu werten
Beginne damit, bewusst wahrzunehmen, was gerade passiert ist. Halte inne, nachdem du stark emotional reagiert und dein Cool verloren hast. Du darfst nun in Ruhe reflektieren und auf Entdeckungsreise gehen. Sammle zunächst nur Informationen – verzichte auf Bewertung oder Interpretation.
- Was genau ist passiert? Welche Situation möchte ich genauer unter die Lupe nehmen?
- Was genau hat mich daran getriggert? War es ein Kommentar, eine Geste, ein Verhalten?
- Wie genau fühlt sich meine emotionale Reaktion an? Welches Gefühl ist vorherrschend?
- Welche körperlichen Empfindungen begleiten diese Emotion? (Anspannung, Hitze, Druck im Bauch etc.)
- Welche Reaktion habe ich gezeigt? Wie habe ich spontan gehandelt? Was habe ich gesagt?
- Was denke ich spontan über mich und über die andere Person?
Schritt 2 – Dem emotionalen Muster auf den Grund gehen
Tauche nun tiefer ein, um zu verstehen, ob es einen biografischen Grund dafür gibt, dass dich genau diese Situation emotional berührt. Starke emotionale Reaktionen sind nicht selten Echos vergangener Verletzungen und ungelöster Erfahrungen.
- Welche Gefühle kommen besonders stark hoch? (z.B. Ärger, Traurigkeit, Scham, Ohnmacht)
- Es sind vor allem folgende Gedanken, die mir spontan dazu in den Kopf kommen.
- Diese Erinnerungen, frühere Situation oder Bilder kommen spontan in mir hoch erinnert mich diese Reaktion?
- Woher kenne ich das Gefühl bereits?
- Wie intensiv erlebe ich diese Emotion – auf einer Skala von 1 (gering) bis 10 (extrem stark)?
Schritt 3 – Die Projektion erkennen
Vielleicht liegt hinter deinem Trigger aber auch eine Projektion. Denn ob du etwas im anderen ablehnst oder bewunderst, das sagt im Grunde mehr über dich als über dein Gegenüber aus. Beispiel: Du ärgerst dich über eine Kollegin, die souverän und bestimmt auftritt – vielleicht, weil du dir selbst nicht erlaubst, klar für deine Bedürfnisse einzustehen.
- Ist das Verhalten oder die Eigenschaft, die mich stört, etwas, das ich mir – wenn ich ehrlich bin – in schönerer Form selbst verbiete oder verweigere? Wie wäre es für mich, wenn ich die gute Seite davon selbst mehr leben würde?
- Habe ich diesen Teil meiner Persönlichkeit verdrängt oder verloren?
- Bewundere ich die positiven Seiten dieses Verhalten insgeheim und wünsche mir, es selbst auszuleben?
Schritt 4 – Alte Glaubenssätze identifizieren
Trigger sind oft Hinweise auf tieferliegende Überzeugungen, die wir früh gelernt haben. Schau mal, wie du ihnen auf die Schliche kommen kannst. Beispiele: „Ich darf nicht laut sein.“, „Ich muss immer stark sein.” oder „Wenn ich sichtbar werde, werde ich verletzt.“
- Welche Überzeugungen über mich oder andere Menschen werden in diesem Moment aktiviert?
- Was glaube ich tief im Inneren über mich selbst, wenn ich getriggert werde?
Schritt 5 – Die Sehnsucht hinter dem Trigger entdecken
Hinter einem Trigger steckt oft eine unbewusste Sehnsucht oder ein Bedürfnis, das gesehen und integriert werden möchte. Eine Visualisierung kann hilfreich sein. Stell dir vor, dieser bisher verdrängte Anteil steht vor dir und du begrüßt ihn freundlich und einladend. Was sagt er dir? Was braucht er von dir, um integriert zu werden?
- Was würde ich tun oder wie wäre ich, wenn ich diesen Anteil nicht länger ablehnen müsste?
- Wie würde sich mein Leben verändern, wenn ich mutiger, klarer oder authentischer leben dürfte?
- Welche Freiheit könnte ich gewinnen, wenn ich diesen verdrängten Anteil wieder einlade?
Schritt 6 – Kleine konkrete Schritte zur Integration
Nun setzt du kleine, konkrete Handlungen, um den verdrängten Anteil Schritt für Schritt wieder willkommen zu heißen.
- Sprich in einem Meeting einen Gedanken aus, den du sonst verschweigst.
- Äußere in einer Beziehung klar, was du fühlst oder brauchst.
- Poste in den sozialen Medien etwas Persönliches oder Verletzliches, um authentischer sichtbar zu werden.
- Nimm dir bewusst eine Pause, ohne dich zu rechtfertigen.
Was konkret nimmst du dir vor? Liste 3 neue Verhaltensweisen auf.
Schritt 7 – Integration und Würdigung
Abschließend reflektierst du über deine Erfahrungen mit dieser Übung und integrierst das Gelernte bewusst in deinen Alltag.
- Was habe ich Neues über mich entdeckt?
- Welche inneren Widerstände oder Überraschungen sind mir begegnet?
- Welche inneren Qualitäten möchte ich künftig bewusster leben und zulassen?
Schreibe einen Brief oder eine kleine Notiz an diesen wiederentdeckten Anteil von dir, würdige ihn und heiße ihn willkommen. Du kannst diesen Brief für dich behalten oder in einem persönlichen Ritual vorlesen.
03.05.2025