#Persönlichkeitsentwicklung

Probleme lösen – mit Tipps für mehr Objektivität

Probleme lösen – mit Tipps für mehr Objektivität

Ragnhild Struss

Viel zu häufig sind wir in herausfordernden Situationen zu emotional, nehmen einen Scheuklappenblick ein und übersehen, welche Optionen wir eigentlich haben. Ragnhild Struss zeigt, wie uns ein objektiver und lösungsorientierter Umgang mit Problemen gelingt.

Alltagsprobleme – wer kennt sie nicht: Aufgrund eines verspäteten Zuges verschiebt sich der gesamte Zeitplan, der Babysitter fällt wegen Krankheit aus oder die Deadline für ein wichtiges Jobprojekt wird vom Kunden eine Woche nach vorne gelegt. Und jetzt? Leider passiert es viel zu häufig, dass wir unsere Aufmerksamkeit dann zu sehr auf das Problem an sich richten, sozusagen zu nah dran sind und den Weitblick verlieren. Das ist so, als nähmen wir nur einen kleinen Knotenpunkt eines Spinnennetzes unter die Lupe – und erkennen auf diese Weise gar nicht, wie alles miteinander verbunden ist und wo wir ansetzen müssten, um den Knoten zu lösen. Daher ist es essenziell, mental (oder auch wörtlich) einen Schritt heraus zu treten, um die Gesamtthematik mit etwas Abstand betrachten zu können – die entscheidende Voraussetzung, um Zusammenhänge zu erkennen und Lösungsansätze zu finden.

Wie es sich auswirkt, wenn wir am Problem haften

An den folgenden Verhaltensweisen erkennen Sie, dass Sie „den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen“ und sich deshalb so fühlen, als stäken Sie in einem vermeintlich unlösbaren Problem fest:

  • Starke Emotionalität: Sie erleben intensive Gefühle, die Sie stressen, beispielsweise Wut, Ärger, Frustration oder auch Schmerz, Scham, Trauer oder Resignation. Während es normal ist, dass solche Emotionen in uns aufsteigen, wenn wir uns einem Problem gegenübergestellt sehen, kommen wir nicht weiter, wenn wir uns nur auf unsere starken Gefühle konzentrieren und diese vielleicht sogar weiter anfachen (zum Beispiel indem wir immer wieder sagen, wie wütend uns die Situation macht und wie schrecklich alles ist). Starke Emotionalität lässt uns quasi „am Problem kleben“.
     
  • Opferhaltung: Sie ist eine häufige Folge intensiver Emotionen. Es kommt Ihnen vor, als habe sich alle Welt gegen Sie verschworen oder als sei es typisch, dass „mal wieder“ Ihnen so etwas passieren muss. Vielleicht geben Sie auch einer anderen Person oder den Umständen die Schuld daran, dass Sie nun in einer misslichen Lage sind, und empfinden das Problem als große Ungerechtigkeit gegenüber sich selbst. Wenn Sie sich jedoch zu sehr darauf konzentrieren, wer oder was vermeintlich im Außen verantwortlich ist, begeben Sie sich selbst in die Rolle eines passiven Opfers. Damit geben Sie Ihrem Unbewussten die Information, selbst nichts an Ihrer Lage ändern zu können. Das Gegenteil wäre eine Haltung, die Ihnen durch Verantwortungsübernahme das Lösen des Problems ermöglicht.
     
  • Paralysis by analysis: Selbst wenn Sie bereits über die Lösung des Problems nachzudenken scheinen, drehen Sie sich in Wirklichkeit jedoch im Kreis, indem Sie einen Negativfokus durch die Konzentration auf das Problem an sich setzen. Ihr Blickfeld ist verengt, Sie betrachten nur einen kleinen Ausschnitt und wiederholen ständig das, was Sie schon wissen, zum Beispiel „Mist, der Zug ist verspätet ... So schaffe ich den Anschlusszug nicht mehr – oder vielleicht doch? Vielleicht holt der erste Zug die Verspätung unterwegs ja wieder auf ... vielleicht aber auch nicht ... Wenn ich den Anschluss nicht schaffe, komme ich zu spät zur Präsentation ... Am besten frage ich nach, ob der Zug wirklich 15 Minuten verspätet ist ...“ usw. Dieser Problemfokus bringt Sie nicht weiter und hält Sie davon ab, ins Handeln zu kommen. Je schwerwiegender das Problem, desto lähmender die kreisenden Gedanken.

Möglichkeiten, wie wir Problemknäuel entwirren können

All das verfestigt die Anhaftung am Problem. Negative Emotionen verstärken sich selbst, Sie geraten womöglich ins Drama und machen das Problem damit noch größer, als es am Anfang war. Es gibt aber einige hilfreiche Maßnahmen, mit denen wir uns in eine wesentlich bessere Verfassung zur Problemlösung begeben, unsere Situation objektiver und ganzheitlicher betrachten können und dafür genug Kraft haben. Die folgenden Schritte helfen Ihnen:
 

1. Cool bleiben

Zu Beginn ist es elementar, sich überhaupt in eine Verfassung zu bringen, in der Sie die Problemlösung angehen können. Denn nicht in jeder Gemütslage ist man entscheidungsfähig. Das bedeutet, dass Sie möglicherweise aufgekommenen Stress, Angst oder Ärger loslassen und Ihr Gemüt etwas „abkühlen“. Eine Art „Stopp“, um Distanz herstellen zu können. Eine erste hilfreiche Maßnahme ist eine beruhigende Atmung – denn wenn sich unsere Atmung verlangsamt, wird automatisch auch unser Puls langsamer. Schließen Sie wenn möglich Ihre Augen für einen Moment und atmen Sie tief durch die Nase ein. Zählen Sie dabei bis 3 und halten Sie den Atem dann kurz an. Dann atmen Sie – auch durch die Nase oder durch den leicht geöffneten Mund – möglichst lange aus, am besten doppelt so lange, wie Ihre Einatmung gedauert hat (zählen Sie bis 6). Bei Stress atmen wir oft sehr flach oder hyperventilieren sogar. Der Fokus auf der Ausatmung ist daher ein sofortiger „Entstresser“. Manche Probleme verlangen sofort nach Lösungen und es ist daher hilfreich, wenn Sie sich möglichst schnell beruhigen können. Bei anderen haben Sie etwas mehr Zeit, bis Sie eine Entscheidung treffen müssen – nutzen Sie diese Zeit, um sich zurückzuziehen und bei Selbstfürsorge-Maßnahmen wie einem Spaziergang im Grünen oder einem Bad zu entspannen, bevor Sie überlegen, wie es weitergehen soll.
 

2. Das Problem definieren

Stellen Sie sich die richtigen Fragen. Mit dem Fokus auf der Sachebene. Worum geht es eigentlich? Diese Frage sollte als nächstes beantwortet werden. Nur was uns bewusst ist, können wir auch strategisch angehen und verändern. Analysieren Sie das Problem, aber ohne dabei nur einen kleinen Ausschnitt zu betrachten, sondern unter Miteinbeziehung sämtlicher Aspekte und Verwebungen. Erst wenn Sie das „Spinnennetz“ als Ganzes sehen, bekommen Sie auch den Überblick über alle Lösungsmöglichkeiten. Wenn genügend Zeit ist, nehmen Sie sich Stift und Papier zur Hand, um Ihre Analyse zu notieren. Seine eigenen Gedanken schwarz auf weiß zu sehen, macht sie wesentlich handhabbarer, als sie im Abstrakten zu belassen. Schreiben Sie das Problem in die Mitte des Papiers, zum Beispiel „Die Deadline für die Abgabe wurde nach vorne verschoben.“. Sammeln Sie dann zunächst alle Punkte, die diese Tatsache zu einem Problem werden lassen, fragen Sie also „Warum ist das ein Problem?“. In der Regel handelt es sich dabei um mögliche negative Konsequenzen – schreiben Sie diese mit einem Pfeil vom Problem weg auf, zum Beispiel „Ich werde nicht rechtzeitig fertig und der Kunde beendet unsere Zusammenarbeit.“ oder „Ich liefere das Projekt in mangelhafter Qualität ab; der Kunde und ich selbst sind unzufrieden.“. Betrachten Sie als nächstes, was zu dem Problem geführt hat, also „Wodurch ist das Problem entstanden?“, und schreiben Sie diese Gründe links neben das Problem mit Pfeil darauf verweisend. Vielleicht gibt es einen bestimmten Grund bzw. kennen Sie diesen Grund nicht; vielleicht können Sie aber auch mehrere Möglichkeiten sehen, zum Beispiel „Der Kunde freut sich auf das Ergebnis und weiß gar nicht, dass ich noch nicht so weit bin.“ oder „Der Kunde muss seinerseits das Projekt früher vorweisen, weil eine dritte Partei mit drin hängt.“ o. ä. Auf diese Weise sehen Sie am Ende genau vor sich, was alles in das Problem einfließt und daraus folgen könnte – die Grundlage, um spezifisch und konkret über unterschiedliche passende Lösungsansätze nachzudenken.
 

3. Sich die eigenen Optionen bewusstmachen

Wie wollen Sie vorgehen? Im Allgemeinen können Sie immer an zwei Stellschrauben drehen: Sie können sich an die Umstände anpassen, also etwa Ihre Einstellung zum Problem ändern bzw. annehmen, dass die Dinge nun so sind, oder Sie können versuchen, etwas im Außen zu verändern, also das Problem zu lösen. Für die erste Möglichkeit können Sie sich selbst fragen „Ist es wirklich so schlimm?“, „Wird es sich vielleicht von selbst erledigen, wenn ich nur etwas warte?“ oder „Handelt es sich um eine (neue) Realität, die ich einfach akzeptieren muss?“. Wenn sich beispielsweise Ihr Partner von Ihnen getrennt hat und keinen Weg zurück in die Beziehung sieht, wäre das ein Problem, bei dem Sie eigentlich nur die Option haben, es zu akzeptieren. Diese Akzeptanz würde für andere Lebensbereiche bedeuten, dass Sie wieder ins Gestalten kommen können. Glücklicherweise haben wir jedoch bei sehr vielen Problemen Möglichkeiten, selbst etwas zu verändern, Einfluss zu üben. Betrachten Sie dazu noch einmal Ihr Diagramm aus Schritt 2: Sie können potenziell an jeder der Ursachen des Problems etwas ändern (nicht nur in der Gegenwart, sondern auch für zukünftige ähnliche Situationen ein hilfreicher Blick) sowie an jeder der Konsequenzen. Im obigen Beispiel könnten Sie etwa den Problemgrund „Der Kunde weiß nicht, dass die Verschiebung mir so viel Stress bereitet.“ lösen, indem Sie ihm Ihre Lage schildern und erfragen, ob es bei der ursprünglichen Deadline bleiben kann. Sie können auch den Konsequenzen etwas entgegensetzen, zum Beispiel „Ich arbeite das Wochenende durch, damit die Qualität des Projekts auch in der kurzen Zeit genauso gut wird.“ oder „Sollte es dazu kommen, dass der Kunde abspringt, nehme ich das in Kauf und stoße einfach mehr Projekte mit meinen anderen Kunden an.“. Halten Sie all Ihre Optionen in einer anderen Stiftfarbe in Ihrem Diagramm fest und brainstormen Sie, um auf Vereinfachungen und kreative Lösungsmöglichkeiten zu kommen. 
 

4. Ins Handeln kommen

Machen Sie sich bewusst, dass Sie immer die Freiheit haben, zu entscheiden und zu handeln. Versuchen Sie also, sich im Anschluss an Schritt 3 zügig für einen oder mehrere Lösungswege zu entscheiden und sie auszuprobieren. Es bringt nichts, ewig abzuwägen und zu zögern – eine versuchte Lösung ist in jedem Fall besser, als gar nichts zu tun. In vielen Situationen können Sie mit „trial and error“ verschiedene Optionen ausprobieren und sie nacheinander abarbeiten, zum Beispiel können Sie zunächst das Gespräch mit dem Kunden suchen und zur Not dann immer noch eine Wochenendschicht einlegen, sollte er bei der vorgezogenen Deadline bleiben wollen. Wichtig ist hierbei: Kommunikation ist der Schlüssel. Teilen Sie sich anderen Menschen mit, schildern Sie Ihre Gedanken und Ideen, das baut bereits viel Ihres inneren Stresses ab. Manchmal kann man sich aber auch nur für einen Weg entscheiden, der dann nicht mehr rückgängig gemacht werden kann und sofortige Konsequenzen hat, zum Beispiel die Entscheidung einen Business-Termin abzusagen, weil man glaubt, ihn – aufgrund einer Zugverspätung – nicht mehr rechtzeitig zu schaffen. Oft ist es stressfreier, eine klare, definitive Entscheidung zu treffen und die Konsequenzen zu tragen, als immer wieder zu versuchen, die Situation noch zu retten. Das kommt aber ganz auf die Umstände an und womit Sie sich wohler fühlen. 
 

5. Für die Zukunft lernen

Was hat funktioniert? Damit wir aus Problemen lernen und unsere Problemlöse-Skills weiter ausbauen und trainieren, ist es wichtig, eine Evaluation vorzunehmen. Erleben wir in Zukunft ähnliche Situationen, können wir dann auf unsere Erfahrungswerte zurückgreifen und noch schneller wieder entscheidungs- und handlungsfähig sein. So machen wir möglicherweise einen inneren Vermerk wie „Der Kunde x ist sehr unflexibel, was seine Deadline-Setzung angeht, ist dann aber auch mit einem auf die Schnelle erledigten Werk sehr zufrieden.“ oder „In solchen Situationen habe ich mich mit verschiedenen Lösungsversuchen schon mehrfach abgemüht – besser nehme ich diesmal einfach an, dass es so ist.“. Bei komplexen Problemlösungsprojekten sollten Sie im laufenden Prozess immer wieder evaluieren, wie Ihr aktuell eingeschlagener Lösungsweg performt und ob Sie gegebenenfalls Ihren Kurs anpassen müssen. Beispiel: Sie haben das langfristige Ziel, mehr Besucher*innen auf Ihre Website zu locken. Dafür schalten Sie eine Weile Werbung auf Instagram und messen den Zuwachs, danach probieren Sie aus, Flyer mit Ihrer URL an thematisch passenden Orten zu verteilen etc. Wenn Sie möchten, legen Sie sich ein Notizbuch für „Learnings“ an, in denen Sie Ihre Erkenntnisse darüber, was wann wie funktioniert, festhalten.
 

Probleme helfen uns zu wachsen

Auch wenn sie meist ungelegen kommen und zunächst für Stress sorgen, sind Probleme wichtig für unsere Weiterentwicklung. Im Grunde beinhaltet jegliches Lernen von Kind an das Lösen von Problemen, zum Beispiel wie man seinen Namen schreibt oder wie man sich die Schuhe bindet. Es lohnt sich, unseren kindlichen Lerneifer zu reaktivieren und damit auch heutigen Problemsituationen zu begegnen. Diese offene Einstellung gegenüber Problemen verhilft Ihnen zu einer objektiveren Haltung – und nimmt den meisten Hindernissen ihren Schrecken. Am wichtigsten ist dabei, dass Sie sich selbst daran erinnern, einmal kurz innezuhalten und den Blick zu weiten, damit Sie nicht nur das Problem, sondern auch die möglichen Lösungen sehen können.

 

Die wichtigste Grundlage für beruflichen Erfolg und persönliche Zufriedenheit bildet eine Lebensführung in Übereinstimmung mit Ihrer Persönlichkeit. Sie zu kennen, ist der erste Schritt. Mit unserem kostenfreien Schnuppertest bieten wir Ihnen die Möglichkeit, ihn zu gehen und einen ersten Einblick in Ihr Inneres zu erhalten.

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