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Karriere nicht nur in Führung denken: Wie Unternehmen Peter-Karrieren vermeiden

Karriere nicht nur in Führung denken: Wie Unternehmen Peter-Karrieren vermeiden

Karriere nicht nur in Führung denken: Wie Unternehmen Peter-Karrieren vermeiden

 

Michaela ist 53 Jahre alt. Sie hat angewandte Physik studiert und danach in einem Industrieunternehmen in der Forschung und Entwicklung gearbeitet. Als beste ihres Jahrgangs hält die introvertierte Angestellte, was ihre Noten versprochen haben und leistet top Arbeit. Ihre Produktideen gehen über den üblichen Horizont hinaus, nicht zuletzt, weil sie nicht nur Physik, sondern auch andere Naturwissenschaften faszinieren. Michaela denkt outside the box und bringt nicht nur die Produktpalette kräftig voran, sondern inspiriert mit ihren guten Ideen auch andere Kollegen und Kolleginnen. Gute Leistung muss belohnt werden. Betriebszugehörigkeit auch. Michaela steigt immer weiter auf. Und entfernt sich dabei immer weiter von ihrer ursprünglichen Kompetenz und Kernmaterie. Jetzt sitzt sie nur noch in Meetings, ist überfordert mit Personalgesprächen und lässt weniger talentierten Physikern und Physikerinnen wenig Raum, sich außerhalb ihrer Ideenflut zu entwickeln. Michaela ist zum Peter geworden.

Das Peter-Prinzip beschreibt ein Phänomen, welches relevant für betriebswirtschaftliche Strukturen ist. Sowohl aus monetären Gesichtspunkten als auch aus kulturellen. Es beschreibt die Tatsache, dass Menschen in Unternehmen bis zu ihrer Inkompetenz befördert werden. Ab da geht es nicht mehr vorwärts, aber zum Leidwesen aller eben auch nicht mehr zurück. Häufig finden sich diese Wege in Unternehmen, in denen fachliche Experten mit den Peopleaufgaben des Managements ihre professionelle Comfort-Zone verlassen. Das stellt deswegen ein individuelles Problem dar, weil die Betroffenen lange als sehr kompetent wahrgenommen wurden und nun in ständiger kognitiver Dissonanz ihre in einem anderen Bereich existierende Inkompetenz vor Augen geführt bekommen. Dies wird meist mit autoritären Führungsversuchen, Vermeidungsverhalten und Mikromanagement kompensiert und damit zusätzlich zum Problem für das gesamte Team, bevor es letztlich zum Umsatzverlust für das gesamte Unternehmen führt.
 

Unternehmen brauchen Alternativen zu Managementkarrieren

Aus unserer Sicht ist es logisch. Das, was einen fachlich zum Experten werden lässt: analytische Brillanz, Freude, sich in Materie zu vertiefen, im stillen Kämmerlein an Problemen rätseln… entspricht nicht automatisch dem, was eine gute Führungskraft ausmacht (zeitgleich schließt es das auch nicht aus). Wir erleben in unserem Beratungsalltag viele äußerst kompetente Experten und Expertinnen, die sich gerne beruflich weiterentwickeln würden, denen jedoch ein reiner Manager*innenweg zu weit von der Materie entfernt ist, für die sie wirklich brennen. Daher braucht Fach-Exzellenz eine gleichwertige Laufbahn zur Führung – mit eigenen Stufen, Gehaltsbändern, Anerkennungsmechanismen und Sichtbarkeit.

Und die gibt es auch schon: Unternehmen wie Spotify, Google, Dropbox, IBM – um nur ein paar Beispiele zu nennen – haben dem Peter-Phänomen bereits Rechnung getragen und ihre Strukturen so gestaltet, dass sowohl eine Management- als auch ein Fachkarriere möglich ist.  Und, dass Übergangsrollen von Fach- in Managementkarrieren mitdenken, dass ein Team zu führen nicht automatisch durch andere Kompetenzen abgebildet ist, sondern erlernt werden darf.
 

Viele Wege führen weg von Peter

Unternehmen können also auf zwei Strukturen setzen: Experten Experten sein zu lassen. Und, Expert*innen zu Manager*innen weiterzubilden. Für ersteres gibt es keine One Size fits All Lösung. Unternehmensstrukturen unterscheiden sich stark voneinander und genauso werden sich auch Beförderungsrahmen voneinander unterscheiden. Eines ist jedoch besonders interessant: wenn man sich Unternehmen anschaut, die bereits in weiteren Karrierepfaden denken, dann liest man oft die Abkürzung IC – Individual Contributor. Diese Bezeichnung stellt eine gute Möglichkeit dar, Sichtbarkeit-, Titel- und Gehalts-Parität zu Managementschritten herzustellen und entspricht einer Fachlaufbahn ohne Führungsverantwortung. IC bezeichnet Mitarbeitende, die durch fachliche Exzellenz, Problemlösung und Wirkung Prozesse in ihrem Unternehmen anführen. Ein oder eine IC arbeitet tief inhaltlich, strategisch oder innovationsorientiert. Wonach sich der Titel, die Bezahlung und die Verantwortung des IC orientiert hängt, wie gesagt, stark vom unternehmerischen Kontext ab. Beispiele sind:

  • Fachliche Exzellenz: Qualität der Arbeitsergebnisse, Innovationsgrad, Fehlerquote, Publikationen, Patente, Weiterempfehlungsrate, Kundenstamm etc.
  • Wirkung/Impact: Beitrag zu Unternehmenszielen, Umsatzbeitrag, Prozessverbesserungen, Nutzung der eigenen Arbeit durch andere Teams des Unternehmens
  • Kollaboration: Peer-Feedback, Cross-Team-Projekte, Mentorin anderer. Das Ausmaß, zu dem Wissen geteilt wird.
  • Innovation und Lernen: Intrapreneurship, Anzahl umgesetzter Ideen, Prototypen, gewonnene Learnings, Weiterentwicklung neuer Methoden
  • Einfluss und Thought Leadership: Speaker-Aktivitäten, interne Trainings, Veröffentlichungen, Expertenstatus. Informelle Führung durch Expertise.
  • Kundennutzen/Nutzerfeedback: NPS, Zufriedenheit mit Produktlösungen, interne oder externe Kund*innenbewertungen
     

Karrierestufen könnten sich darstellen als:

  • Untere Level: Operative Facharbeit unter Anleitung
  • Mittlere Level: Selbstständige Verantwortung für Projekte
  • Obermittlere Level: Technische Leitung über mehrere Teams hinweg
  • Oberes Level: Strategische technische Leitung
  • Highest Level: Unternehmensweite technische Direktion
     

ICs werden nicht nach Teamgröße bewertet, sondern nach Wirkungstiefe und Reichweite. Die Darstellung zeigt zwar, dass es komplexer ist, ICs zu bewerten und nach Wirkung für das Unternehmen zu kategorisieren. Zugleich demonstriert es Überlegenheit gegenüber dem unterkomplexen Bewertungsmaßstab „Teamgröße“  für Managementpositionen, der Leistung nicht ganzheitlich abbildet und dadurch im Peter-Prinzip münden kann.
 

Von der Expertin zur Managerin

Kleiner Einschub. Auch, wenn das Peter-Prinzip aufgrund der Namensschöpfung sehr männlich assoziiert ist, wie (leider immer noch) Führungsrollen auch, geraten natürlich genauso weibliche Expertinnen in die beschriebene missliche Position. Es gibt zwar auch das Paula-Prinzip, das beschreibt jedoch etwas anderes. Was, das findest du hier oder hier.

Nun stellen wir uns aber eine Expertin in einem Unternehmen vor, welches nicht groß genug ist, Experten und Manager parallel zu beschäftigen. Sie ist fachlich exzellent, doch eignet sie sich auch als Managerin? Diese Frage kann über konkrete Schritte beantwortet werden:
 

Statt automatischer Beförderung, Expertinnen und Experten mit Führungseignung auswählen

  • Assessmentcenter/Persönlichkeitsbasierte Potenzialdiagnostik
  • Management auf Probe: 6-12 Monat interimsweise führen mit begleitendem Coaching und integrierten Feedbackschleifen
  • Peer-Feedback, um soziale und kommunikative Eignung zu prüfen, bevor eine Führungsrolle dauerhaft übertragen wird
     

Being prepared – not just promoted

  • Onboarding-Programme für neue Führungskräfte mit Fokus auf Selbstführung, Delegation, Konfliktmanagement und psychologische Sicherheit
  • Mentoring durch erfahrene Führungskräfte
  • Coaching durch einen externen Coach
  • Peer-Learning-Gruppen: Gemeinsam aus Erfahrungen und Fehlern lernen, gemeinschaftliches Verständnis von einer produktiven Fehlerkultur entwickeln
     

Rückkehrpfade: doch, auch das ist möglich

  • Kultur sollte beinhalten: Führen ist nicht gleich Status. Wenn die anderen Pfade auch attraktiv sind, ist es auch kein Problem, auf eine IC-Position weiterzugehen - und wieder weg von der Führung.
  • Sichtbarkeit von Fachkarrieren: Über Tech Talks, Paper, Patente, Unternehmensinterne Auszeichnungen wird Status auch anders als über Personalführung erreicht
  • Führung wird nicht automatisch besser bezahlt, sondern impact-orientiert: Boni werden zum Beispiel nach Teamergebnis und nicht nach Anzahl der Mitarbeitenden vergeben.
     

Wie so oft ist es auch in Sachen Führung sowohl für das Unternehmen als auch für Individuen und gesamte Teams von Vorteil, wenn die Möglichkeit besteht, auf veränderte Umstände flexibel reagieren zu können.  Nicht jeder kompetente Naturwissenschaftler, nicht jede Juristin, nicht jeder Sales-Experte ist auch ein geborener Manager oder eine geborene Managerin. Sollen es alle erstmal ausprobieren können? Auf jeden Fall! Muss es jeder immer bleiben? In einem Unternehmen, in dem Status nicht nur mit Personalverantwortung gleichgesetzt wird, nicht.

 

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