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Ehrgeiz: Vom Streben nach Erfolg

Ehrgeiz: Vom Streben nach Erfolg

Ragnhild Struss

Ist Ehrgeiz das, was wir brauchen, um ans Ziel zu kommen? Eine Eigenschaft, die man ausbauen sollte – oder kann sie uns sogar im Weg stehen? Und wie viel ist zu viel? Ragnhild Struss beleuchtet, was genau unter Ehrgeiz zu verstehen ist und gibt Tipps, wie wir das rechte Maß finden.

Für die einen ist es eine Auszeichnung, „ehrgeizig“ genannt zu werden, eine Tugend, die mit Erfolg und Leistung assoziiert wird. Andere verbinden mit „Ehrgeiz“ eher Konkurrenzkampf, Härte und Ellenbogenmentalität – nichts, was als besonders sympathisch oder erstrebenswert gilt.

Es gibt zahlreiche Begriffe, die im engen Zusammenhang mit Ehrgeiz als Persönlichkeitsmerkmal stehen, z. B. Zielstrebigkeit, Ambition, Leistungswille, Eifer, Einsatz, Motivation, Durchhaltevermögen, Fleiß und Disziplin. Während diese größtenteils als positive Tugenden gelten, haftet dem Begriff des Ehrgeizes mit Assoziationen wie Gier, Sucht oder Strebertum auch etwas Negatives an, besonders, wenn es um die extreme Ausprägung geht. Wenn jemand „überhaupt keinen Ehrgeiz“ hat, gilt das ebenso wenig als Auszeichnung, wie wenn jemand „von Ehrgeiz zerfressen“ ist. Wie so oft, scheint es also auch beim Ehrgeiz um die gesunde Balance zwischen „zu viel“ und „zu wenig“ zu gehen.

Was ist Ehrgeiz?

Ist Ehrgeiz also eine Eigenschaft, die man fördern sollte?  Ein wertvolles Werkzeug, um unser Leben aktiv zu gestalten und erfolgreich zu sein? Und wie zeigt sich Ehrgeiz im Verhalten? 

Laut Stangls Online-Lexikon für Psychologie und Pädagogik versteht man unter Ehrgeiz „das in der Persönlichkeit eines Menschen verankerte Streben nach persönlichen Zielen wie Leistung, Erfolg, Anerkennung, Einfluss, Wissen oder Macht“ (Stangl, 2022).

Ehrgeiz bedeutet also vor allem erst einmal, Ziele zu haben. Voraussetzung dafür ist, zu wissen, was man will – was man erreichen will, wie man sein oder wo man hinwill. Das Ziel kann dabei ganz unterschiedlich definiert sein. Im beruflichen Kontext sollen Erfolg, Leistung, Anerkennung, Einfluss, Führung, Ruhm, Wissen oder Macht z. B. in Form einer bestimmten Position oder eines Titels wie „Head of“, CEO oder Geschäftsführung, aber auch in Form von akademischen Titeln, einem hohen Gehalt oder anderen messbaren Karriereschritten erreicht werden.

Ziele können sich aber auch auf die persönliche Entwicklung, ein bestimmtes Lebensmodell, eine Zukunftsvision beziehen: Ein Haus mit Garten, eine Familie, ein Hobby, eine Reise, der eigene Körper. Wenn der Wille, das Ziel zu erreichen und die Vorstellung von dem zu erwartenden Gewinn sehr hoch sind, wird dieses Ziel mit Ehrgeiz verfolgt. Die ambitionierte Person wird bereit sein, viel dafür zu tun, hart zu arbeiten, sich anzustrengen, Opfer zu bringen und auf anderes zu verzichten, weil das Ziel im Fokus des eigenen Handelns steht.

Was lässt Menschen ehrgeizig werden?

Ehrgeiz im Sinne des Bedürfnisses zu lernen, sich weiterzuentwickeln oder über sich hinauszuwachsen, ist in seiner Ausprägung bereits eine genetische Anlage. Entscheidend für die Entwicklung des Ehrgeizes eines Kindes ist dann aber die Sozialisation, genauer die inneren Beschlüsse, die ein Kind aufgrund der Interaktion mit seinen nahen Bezugspersonen fällt. Verlangen beispielsweise Eltern von ihrem Kind Überdurchschnittliches und knüpfen ihre Zuwendung und Wertschätzung an erbrachte Leistungen oder Ergebnisse von Bemühungsprozessen, kann sich daraus übertriebener Ehrgeiz im Kind entwickeln. Es fühlt sich dann womöglich nur wertvoll und liebenswert, wenn es der oder die Beste bzw. makellos ist. Sobald das nicht der Fall ist, leidet es unter dem Gefühl der Minderwertigkeit oder fühlt sich als Versager. Im Erwachsenenalter versucht diese Person dann, ihre Selbstzweifel und Minderwertigkeitsgefühle zu überwinden, indem sie zu Perfektionismus neigt, sich stets bemüht, auf dem Siegertreppchen zu stehen, hohe Positionen zu bekleiden, Macht zu besitzen, Rekorde zu brechen, Reichtum anzuhäufen, Ruhm zu generieren.

Aber auch das Gegenteil ist möglich: Nehmen Eltern dem Kind alles ab, ermutigen sie es nicht, in die Autonomie zu gehen, trauen sie ihm nichts zu oder stellen gar Anforderungen, nehmen sie ihm dadurch eventuell die Chance auf eigenes Selbstwirksamkeitserleben in Bezug auf das Meistern von Herausforderungen oder das Erzielen von Erfolgen. Beides sind allerdings wichtige Faktoren, um ein nachhaltig gutes Selbstvertrauen zu entwickeln. Für die Entwicklung eines gesunden Ehrgeizes ist ein gesundes Maß an Forderung, Förderung und Feedback für erbrachte Leistungen zu wählen. Lust und Freude an Leistung und Erfolg vermitteln, aber nicht den falschen Anreizen einer übertriebenen Leistungsgesellschaft erliegen, weder zu unter-, noch zu überfordern.

Mit Ehrgeiz zum Erfolg?

Eng verwandt mit dem Begriff Ehrgeiz ist die Vorstellung von Erfolg, nach dem Motto: Wer ehrgeizig ist, ist auch erfolgreich, oder andersherum: Wer erfolgreich sein will, braucht Ehrgeiz. Und in der Tat: Ehrgeiz fördert Motivation zu Höchstleistung und sorgt dafür, dass angeborene Talente entwickelt und persönliche Ziele erreicht werden können.

Ehrgeizig zu sein, birgt viele Vorteile. Neben der Förderung anderer Erfolg versprechender Persönlichkeitseigenschaften wie Disziplin, einem erhöhten Maß an Durchhaltevermögen, Kreativität und nicht selten auch Geduld, verhilft das nachhaltige Kämpfen für den eigenen Anspruch zu einem befriedigenden Gefühl von Stolz und wird sogar mit Glücksgefühlen belohnt. Jene angenehmen Emotionen wirken sich insofern positiv auf das Gehirn aus, als es durch entsprechende neuronale Verknüpfung auf Errungenschaft programmiert wird. Insofern führt Ehrgeiz nicht nur zu Respekt von anderen, sondern fördert auch den Selbstrespekt und das Selbstvertrauen. Kurz: Ehrgeiz lässt uns Herausforderungen suchen, Anstrengung oder Unannehmlichkeiten werden nicht gescheut und Niederlagen spornen eher an, als dass sie aufgeben lassen. Außerdem überträgt sich der Ehrgeiz häufig auf mehrere Lebensbereiche, so dass der gesund ehrgeizige Mensch immer mehrfach profitiert.

Wie viel ist zu viel?

Die Balance zwischen gesundem Ehrgeiz, der zu Leistung motiviert, Ziele verfolgen und Erfolge erzielen lässt und übertriebenem oder blindem Ehrgeiz, der einsam machen und uns ausbrennen lassen kann, ist ein schmaler Grat.

Dient Ehrgeiz als Kompensationsstrategie für ein niedriges Selbstwertgefühl, kann er selbstsabotierende Züge annehmen. Denn das Selbstwertgefühl muss vor allem im Selbstbild aktualisiert werden. Bleibt es in der Eigenbetrachtung weiterhin schlecht, kann durch kompensierenden Ehrgeiz eine Abwärtsspirale ins Ausbrennen entstehen: Je mehr Erfolge erzielt werden, je mehr Anerkennung von außen man für die eigenen Leistungen und Ziele erfährt, desto mehr wird wiederum der Ehrgeiz befördert, um noch mehr zu erreichen und noch mehr Anerkennung zu erhalten. Jene Motivation führt zu einem ungesunden Kreislauf, in dem immer mehr Leistung erbracht werden muss, in der Hoffnung, durch Bestätigung von außen das Selbstwertgefühl aufrecht zu erhalten. Das kann dazu führen, dass es zu einer Abhängigkeit von externer Bekräftigung kommt. In diesem Fall ist Ehrgeiz der Versuch, eigene Defizite auszugleichen. Wer heute derartige Anerkennung sucht, hat sich nicht selten als Kind Akzeptanz gewünscht, die er/ sie damals nicht erhalten hat. Nachhaltiger und gesünder wäre es, daran zu arbeiten, den Selbstwert über andere Faktoren zu definieren, die nichts mit Leistung, Erfolgen, Status oder Macht zu tun haben. 

Wenn der Ehrgeiz überhandnimmt, übertrieben, blind, verbissen oder sogar krankhaft ist, kann er unangenehme Konsequenzen für das persönliche Leben, den beruflichen Weg und sogar die eigene Gesundheit haben. Er kann sich auf das Verhalten und die Persönlichkeit auswirken und sich z. B. in Form von Sturheit, Starrsinn, mangelnder Flexibilität und fehlender Leichtigkeit im Umsetzen von Projekten oder Entscheidungen zeigen. Darüber hinaus kann er dem Privatleben schaden, weil Partnerschaft, Familie und Freunde oder die gesunde Beziehung zu uns selbst vernachlässigt werden, bis hin zu Streit und Trennungen. Steckt sich der übertrieben ehrgeizige Mensch nachhaltig zu hohe Ziele – sowohl beruflich als auch privat – und verfehlt diese dann, sind Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl angegriffen. Langfristig kann eine Haltung von „Ich muss unbedingt xyz erreichen, sonst bin ich ein Niemand!“ oder „Entweder Erster oder Versager!“ über körperliche und psychosomatische Stresssymptome wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Rückenbeschwerden, Magenprobleme etc. zu Krankheiten wie Essstörungen, Depressionen oder Burn-Out führen.
 

Anhand dieser Merkmale können Sie feststellen, dass Ihr Ehrgeiz möglicherweise ungesunde Formen angenommen hat:

  • wenn der Druck, den Sie sich selbst machen, um erfolgreich zu sein und Ziele zu erreichen, so groß wird, dass Sie permanent gegen die Zeit anarbeiten, überlastet oder gestresst sind und kaum noch Freizeit haben,
  • wenn Sie nichts anderes mehr denken, tun, wahrnehmen können als die Erreichung des nächsten Ziels,
  • wenn sich alles im Leben nur noch um die nächste Beförderung, den nächsten Abschluss, den größten Kunden dreht und andere Lebensbereiche, Menschen oder Perspektiven völlig vernachlässigt werden,
  • wenn Privatleben, Freundschaft und Partnerschaft oder die eigene Gesundheit unter Ihrem Ehrgeiz leiden,
  • wenn Ihr Selbstwert beinahe ausschließlich an Leistung, Erfolg und Anerkennung gekoppelt ist, das muss nicht nur beruflich sein, kann sich auch privat durch übertriebene Produktivität ausdrücken,
  • wenn Sie sich selbst gegenüber rücksichtsloses Verhalten an den Tag legen, indem Sie Grenzen missachten, Bedürfnisse vernachlässigen, nicht auf körperliche Warnsignale hören, leistungssteigernde oder schlaffördernde Medikamente nehmen, zur Entspannung Alkohol trinken müssen, ständig zu hohe Erwartungen an sich selbst stellen und bei Nicht-Erreichen Ausstiegsgedanken haben, Fehler vertuschen,
  • wenn Sie rücksichtsloses Verhalten gegenüber anderen zeigen: mit Ellenbogen um beruflichen Erfolg kämpfen, anderen Informationen vorenthalten, Familie und Freunde für die Karriere zurückstellen, jede Situation als Kampf wahrnehmen, Missgunst empfinden, andere anschwärzen,
  • wenn Sie Gefahr laufen, von einem Ziel zum nächsten zu hetzen und dabei all das Schöne auf dem Weg zum Ziel zu verpassen.

Von nichts kommt nichts? Wieso auch zu wenig Ehrgeiz schadet …

Wo gar kein Ehrgeiz ist, da ist auch kein Antrieb, keine Motivation. Das Gegenstück zum Vorurteil des übertrieben ambitionierten „Ehrgeizlings“ ist jemand, der gar nicht in die Gänge kommt, keine Ziele und keine Motivation hat, ins Handeln zu kommen und sich auf dem Fluss des Lebens ziellos treiben lässt. Anders als häufig unterstellt, ist mangelnder Ehrgeiz jedoch nicht gleichzusetzen mit Faulheit, die Gründe für fehlenden Antrieb oder geringes Durchhaltevermögen liegen möglicherweise tiefer. Es gibt Anzeichen, an denen Sie erkennen, dass Ihr Ehrgeiz ausbaufähig ist.
 

Diese Merkmale können darauf hinweisen, dass es Ihnen an Ehrgeiz fehlt und Sie sich selbst dadurch schaden:

  • wenn Sie einen geringen Antrieb verspüren, Dinge anzugehen oder zu verändern
  • wenn Sie keine Ziele oder erstrebenswerte Visionen von der Zukunft haben,
  • wenn Sie Projekte, Beziehungen oder Vorhaben immer wieder aufschieben oder nach kurzer Zeit abbrechen,
  • wenn Sie darunter leiden, nie etwas zu Ende zu bringen,
  • wenn Sie feststellen, dass Sie sich bereits von kleinen Rückschlägen oder Niederlagen entmutigen und vom Ziel abbringen lassen,
  • wenn Sie sich immer wieder bei Gedanken erwischen wie „das bringt doch sowieso nichts“ und nicht wagen, Chancen zu schaffen oder zu ergreifen,
  • wenn Sie von Vorgesetzten oder Freunden und Familie immer wieder gespiegelt bekommen, dass Sie sich mehr einbringen könnten,
  • wenn Sie das Gefühl haben, weit unter Ihren Möglichkeiten zu leben,
  • wenn alle anderen aus Ihrem Umfeld trotz ähnlicher Bedingungen beruflich oder privat an Ihnen vorbeiziehen,
  • wenn Ihr Leben hauptsächlich aus Routinen besteht, die Sie unzufrieden machen,
  • wenn Sie schon lange nichts Neues mehr ausprobiert haben, 
  • wenn Sie gar nicht wissen, was Sie im Leben noch erreichen wollen,
  • wenn es Ihnen schwerfällt, sich zu entscheiden,
  • wenn Sie lieber nichts tun, als einen möglicherweise falschen Weg einzuschlagen.

Fazit 

In entsprechender Dosis kann Ehrgeiz ein Beschleuniger für Erfolg, Karriere und Entwicklung sein. Ist er über- oder unterdosiert, kann das Streben nach Erfolg allerdings auch schaden. Wie so oft kommt es auf das richtige Maß an, wozu im Fall von Ehrgeiz auch die gesunde Balance aus Über- und Unterforderung gehört.

Wenn Sie sich prinzipiell als eher ehrgeizigen Menschen erleben, in einigen Lebensbereichen jedoch das Gegenteil der Fall ist, kann dies ein Hinweis darauf sein, dass Sie in diesen Bereichen nicht in Ihrer Kraft sind. Hier kann es sich lohnen, genauer hinzusehen, weshalb es Ihnen gerade im betreffenden Kontext an Ehrgeiz mangelt. Vielleicht ist das Ziel gar nicht das, was Sie wirklich wollen, was Ihnen wirklich wichtig ist? Oder vielleicht haben sich auch Ihre Vorstellungen mit der Zeit verändert, das Ziel wurde aber nicht aktualisiert? Prüfen Sie, woher der mangelnde Antrieb kommt, anstatt weiter gegen Ihre Kraft zu arbeiten. 

Im zweiten Teil des Artikels lesen Sie, welche Ursachen es haben kann, wenn Sie bei sich selbst oder anderen mangelnden Ehrgeiz bemerken. Außerdem erfahren Sie, was ihn fördert, was ihn bremst und wie Sie gezielt Ihren Ehrgeiz steigern können.

 

Die wichtigste Grundlage für beruflichen Erfolg und persönliche Zufriedenheit bildet eine Lebensführung in Übereinstimmung mit Ihrer Persönlichkeit. Sie zu kennen, ist der erste Schritt. Mit unserem kostenfreien Schnuppertest bieten wir Ihnen die Möglichkeit, ihn zu gehen und einen ersten Einblick in Ihr Inneres zu erhalten.

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