#Persönlichkeitsentwicklung

Wie wir die Botschaft unserer Gefühle entschlüsseln

Wie wir die Botschaft unserer Gefühle entschlüsseln

Wer sich seinen Gefühlen widmet und ihre Botschaft versteht, kann sogar Angst oder Scham als wertvolle Ratgeber für ein authentisches und nicht selten leichteres Leben einsetzen. Doch wie finden wir einen Zugang zu unseren Gefühlen, der uns ermöglicht, ihre Botschaft zu entschlüsseln? Dieser Artikel ist der erste von zweien und beleuchtet die Grundlagen: warum wir fühlen, wie Gefühle entstehen und wie wir am besten mit ihnen umgehen.

Unsere alltägliche Lebensgestaltung wird in großem Maße von unseren Gefühlen geleitet. Emotionen haben einen enormen Einfluss auf unser Verhalten und darauf, wie wir unseren Mitmenschen begegnen, wie wir mit uns selbst umgehen und welche Entscheidungen wir treffen. Allerdings ist uns nicht immer bewusst, was genau dabei in unserem Inneren vorgeht. 

Wer lernt, seine Gefühle besser zu verstehen, kann ihnen gelassener begegnen und sogar unangenehme Empfindungen als Chance bzw. als Hinweis darauf begreifen, dass sich eine Situation nicht in Übereinstimmung mit unserem Wesen abspielt. Das Gefühl zeigt dann an, dass etwas nicht stimmt, dass wir etwas ändern sollten oder auf dem falschen Weg sind und es an der Zeit ist, eine neue Richtung einzuschlagen. Wer seine Gefühle wahrnimmt und ihre Botschaft entschlüsselt, ist ihnen nicht mehr ausgeliefert, sondern hat die Wahl, wie er mit Wut, Frust oder Angst umgeht. Wer nicht im Autopiloten agiert, erhöht sein persönliches Maß an Freiheit.

Wie entstehen Gefühle? 

In der Kognitive Verhaltenstherapie gilt ebenso wie in der Gewaltfreien Kommunikation die Annahme, dass Gefühle auf zweierlei Wegen entstehen können. Einerseits durch Gedanken: Zuerst denken wir etwas, dann folgt darauf ein Gefühl. So zieht der Gedanke: „Ich werde bei der Klausur bestimmt durchfallen“, eine Annahme also, die die bevorstehende Situation bewertet, das Gefühl der Angst nach sich. Weil wir denken, wir würden die Klausur nicht bestehen, empfinden wir Angst, nämlich die Angst zu versagen. Dem Gedanken folgt also die Emotion. Andererseits können Gefühle auch durch Bedürfnisse entstehen: Wenn ein Bedürfnis erfüllt wird, indem jemand z. B. für uns die Wohnung aufräumt und damit unser Bedürfnis nach Ordnung befriedigt, folgt darauf das Gefühl der Freude. Aber auch das Gegenteil trifft zu, nämlich wenn ein Bedürfnis nicht erfüllt wird. Gibt es in uns beispielsweise das Bedürfnis nach Sicherheit, das durch häufig wechselnde Ziele oder unvorhersehbare Termine im Job nicht ausreichend erfüllt ist, entsteht daraufhin ein Gefühl – in diesem Fall das der Angst. 

Was auch immer zuerst da ist – der Gedanke oder das Bedürfnis – Gefühle entstehen immer in uns selbst. Sogar wenn andere Personen beteiligt sind oder wir ein bestimmtes Ereignis für unser Gefühl verantwortlich machen, ist der „Ort“, an dem das Gefühl entsteht, unser Inneres. Ganz gleich, was passiert – wie wir innerlich darauf reagieren, liegt in unserer Macht. Wenn ich also wütend bin oder mich verletzt fühle, bedeutet das, dass ein wichtiges Bedürfnis gerade nicht erfüllt ist, oder dass ich etwas gedacht habe, was in mir diese Gefühle ausgelöst hat. Wenn wir durch Selbstreflexion lernen herauszufinden, auf welche Art und Weise ein Gefühl in uns entsteht – ob durch Gedanken oder Bedürfnisse – ist schon der erste Schritt getan, um seine Botschaft zu erkennen und für uns zu nutzen.

Wie bemerken wir Gefühle überhaupt?

So simpel die Frage klingt, so schwer ist es, immer genau über seine Emotionen Bescheid zu wissen. DASS wir eine Gefühlsregung haben, merken wir meist schnell, besonders bei heftigen Empfindungen, aber welches Gefühl sich gerade zeigt, ist für den Untrainierten nicht so klar zu deuten. Glücklicherweise kann man die emotionale Kompetenz, seine Gefühle besser zu erkennen, trainieren

Ein gutes Instrument, um seinen Emotionen auf die Spur zu kommen, ist der Körper. Er sendet permanent Signale darüber, was gut läuft und was geändert werden sollte. Ein Ziehen in der Magengegend, ein Druckgefühl auf der Brust, Müdigkeit oder Schwindel – der Körper sagt laut und deutlich: „Stop! So geht’s nicht weiter!“

Wer die Aufmerksamkeit auf seine Körperwahrnehmung richtet, kann spüren, wo sich welches Gefühl bemerkbar macht. Freude beispielsweise breitet sich meist im gesamten Körper aus. Ärger oder Wut sind in der Regel im Kopf und Oberkörper zu spüren. Oft gibt auch der Volksmund Auskunft darüber, welches Gefühl sich wo im Körper zeigt: Wenn jemand „rot vor Wut“ ist, ist ihm das Gefühl also schon im Gesicht abzulesen. Wenn jemand sagt: „Ich habe soo einen Hals!“, deutet auch diese Körperregion auf das Gefühl der Wut hin.  

Warum brauchen wir Gefühle?

Wir möchten das Missverständnis beseitigen, dass es gute und schlechte Gefühle gäbe. Gefühle sind niemals per se „positiv“ oder „negativ“. Sie können zwar angenehm oder unangenehm sein, aber alle Gefühle arbeiten für uns und haben ihre Berechtigung. Das Gefühl der Freude ist ebenso „richtig“ wie das Gefühl der Traurigkeit. Beide helfen uns dabei, mehr Klarheit in Bezug auf unsere Bedürfnisse und Gedanken zu bekommen und uns selbst besser zu verstehen. Insofern empfinden wir sie nicht grundlos, sondern sie erfüllen eine Funktion. Evolutorisch bedingt haben unangenehme Gefühle eine höhere Intensität, so sind gerade sie es, die wir viel deutlicher spüren und die uns im Alltag einzuschränken oder zu blockieren scheinen. Angst kann lähmen, Wut kann zu impulsiven Taten verleiten, Schuld kann unseren Selbstausdruck verringern, Scham kann uns in den Rückzug zwingen und auf lange Sicht einsam machen. Wenn wir uns zu sehr von diesen Gefühlen leiten lassen, sie erdulden, ohne ihre verborgene Nachricht ins Bewusstsein zu holen, rauben sie uns ein Stück unserer Freiheit und unserer Lebensfreude. Letztendlich sind diese Empfindungen dazu gedacht, uns zu schützen. Sie wollen uns helfen und uns vor negativen Erfahrungen bewahren.

Was will das Gefühl mir sagen? 

Besonders die als unangenehm erlebten Gefühle können als „Call-to-action“ verstanden werden, als Aufruf, etwas in unserem Leben, sei es privat oder im Beruf, zu verändern. 
Sie zeigen uns, was uns fehlt, was wir brauchen, was wir wollen – ohne dass es uns bewusst sein muss. Sie geben die Richtung an, in die wir uns entwickeln können und manchmal – wenn wir auf die leisen Töne nicht hören – greifen sie zu drastischen Mitteln. Sie sagen, ob wir uns zu etwas hin- oder von etwas wegbewegen sollten, ob uns etwas guttut oder eher schadet. Das kann ein Mensch sein, ein Umfeld, eine Aufgabe oder auch unsere Sicht auf die Dinge, unsere Gedanken. 

Wenn wir verstehen, welche Botschaft Frust oder Enttäuschung für uns bereithalten, dann sehen wir die schmerzhaften Gefühle nicht mehr als Feind, der bekämpft werden muss, sondern als Ratgeber, dem wir besser genau zuhören, um von ihm zu lernen. 

Angst enthält die Botschaft, dass etwas gefährlich für mich sein könnte, z. B., weil ich denke, dass ich einer Situation nicht gewachsen bin oder weil ich mir eine bestimmte Aufgabe nicht zutraue. An die Situation in der Zukunft sind oftmals ganz konkrete Gedanken oder Annahmen geknüpft, die sich im Kopf in Endlosschleife wiederholen und aus denen das Gefühl der Angst entsteht: „Das geht doch sowieso schief.“ „Ich schaffe das nicht.“ „Das wird sicher ganz furchtbar.“

Es gibt zwei Wege, mit der Angst umzugehen: Zum einen kann man ihr ganz praktisch begegnen, indem man sich noch besser auf die angstmachende Situation vorbereitet. Dieser Weg führt über die Kontrolle der Umstände, die einem das Gefühl von Sicherheit vermitteln soll. Je größer die Angst, desto stärker ist das Kontrollbedürfnis. Für eine Präsentation im Job könnte das bedeuten, dass man noch mehr Zeit und Energie in die Ausarbeitung investiert, man die Inhalte doppelt und dreifach überprüft, um sicherzugehen, dass alle Fakten stimmen und der Vortrag gelingen wird.

Bei unvorhersehbaren Situationen oder wenig planbaren Ereignissen, ist dieser Umgang allerdings nicht immer möglich. Es empfiehlt sich dann eine alternative Reaktionsmöglichkeit, die zudem nachhaltiger und ganzheitlicher wirkt: Um der Angst zu begegnen, sie weniger oft und weniger stark zu spüren, ist die Arbeit am Selbstvertrauen ratsam. Statt also die Kontrolle zu erhöhen, wird das Vertrauen gestärkt: in die eigenen Fähigkeiten, in die eigene Wirksamkeit und die Kompetenz im Umgang mit neuen Situationen. Zum anderen kann es auch bedeuten, das Vertrauen ins Leben und in andere Menschen zu stärken. Wie genau das gelingen kann, können Sie in diesem Blog-Beitrag nachlesen.

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Was hilft? Tipps zum Umgang mit Gefühlen

Akzeptanz bildet die Voraussetzung für einen besseren und gesünderen Umgang mit unseren Gefühlen. Und das ist sicher auch der schwierigste Teil, denn wer fühlt schon gerne schmerzhafte oder quälende Gefühle wie Wut, Angst, Scham oder Traurigkeit? Doch sie zu ignorieren oder dagegen anzukämpfen, ist kontraproduktiv. Widerstand macht sie nur stärker. Auch an andere weitergeben, lindert sich nicht. Jeder, der seine Wut mal an jemandem ausgelassen hat, weiß das. Gefühle verbleiben so lange, bis sie verarbeitet sind. Die Lösung lautet also, sie – zumindest erstmal – anzunehmen, um dann herauszufinden, was sie uns sagen wollen.  

1. Hinsehen:

Beobachten Sie sich: Wann ist das Gefühl in mir aufgestiegen? In welcher Situation ist die Stimmung in mir gekippt? War es vielleicht ein Blick, den ich gedeutet habe? Oder eine Geste meines Gegenübers? Oder ist das Gefühl entstanden, als die Situation, auf die ich es beziehe, schon längst vorbei war? Wie ging es mir in dem Moment? Besonders hilfreich sind Gespräche mit Freunden oder das schriftliche Reflektieren von Situationen, um diffuses Unwohlsein klarer zu verstehen. Vielleicht entdecken Sie, dass bestimmte Bedürfnisse nicht erfüllt waren, Erwartungen enttäuscht oder Grenzen überschritten wurden. Durch diese Bewusstwerdung wissen Sie klar, wo Sie zur Lösung bzw. Bearbeitung ansetzen sollten.

2. Hinspüren:

Wo in Ihrem Körper spüren Sie das Gefühl? Im Bauch? Dann ist es vielleicht Wut. In der Herzgegend? Dann könnte es Traurigkeit sein. Lernen Sie durch regelmäßiges In-sich-hineinfühlen, wo im Körper Sie welche Gefühle wahrnehmen. Je öfter Sie üben, Gefühle zu identifizieren, desto schneller und treffsicherer werden Sie in Zukunft erkennen, um welches Gefühl es sich handelt und dementsprechend reagieren können.

3. Hinhören:

Hören Sie in sich hinein, welche inneren Dialoge Sie führen. Welche Gedanken lassen in Ihnen welche Gefühle entstehen? „Der hat schon wieder nicht gegrüßt, ich wusste doch, er mag mich nicht.“ „Das wird niemals funktionieren, ich kann es einfach nicht.“ – Wenn Sie sich bei Gedanken wie diesen erwischen, sollten Sie aufmerksam werden. Denn mit den Bewertungen, die Sie anderen unterstellen oder den negativen Vorstellungen von der Zukunft sorgen Sie dafür, dass die entsprechenden Gefühle – z. B. das der Zurückweisung oder der Frustration – in Ihnen selbst entstehen. Wenn Sie Gedanken wie diese erkennen und Stück für Stück weniger destruktiv denken, werden sich auch Ihre Gefühle verändern. 

Warum es sich lohnt, die eigenen Gefühle zu erforschen …

  • Um uns selbst besser zu verstehen. Wenn es uns gelingt, unsere Gefühle zu spüren, zu identifizieren und achtsam mit ihnen umzugehen, sind wir ihnen nicht länger ausgeliefert und leiden wir weniger unter ihnen, sondern können sie als Unterstützer zum Erreichen unserer Ziele sehen. Gefühle sind dann ein Instrument, um uns selbst zu erkennen und zu verstehen, was wir brauchen, wie wir gut für uns sorgen.  
     
  • Um andere besser zu verstehen. Wir können unsere Emotionskompetenz nutzen, um die Kommunikation mit unseren Freund*innen, Kolleg*innen und Mitmenschen bewusster zu gestalten. Je besser man seine eigenen Gefühle und Reaktionen kennt, desto besser kann man auch bei anderen erkennen, welche Gefühle hinter ihren Taten und Worten stecken. Das kann helfen, Missverständnisse aus dem Weg zu räumen und seinem Gegenüber authentisch zu begegnen. 
     
  • Um uns Selbstwirksamkeit zu verleihen. Wenn wir die Verantwortung für unsere Gefühle und unser Verhalten übernehmen, erleben wir uns als selbstwirksam. Wir sind unseren Gefühlen nicht hilflos ausgeliefert, wir sind nicht Opfer dessen, was wir spüren, sondern können aktiv mitgestalten. Das wiederum gibt uns Sicherheit im Umgang mit uns und anderen. 
     
  • Um die Verbindung zu uns selbst zu stärken. Die Erforschung unserer Gefühle bringt uns in einen besseren Kontakt mit unserem Unbewussten und mit unserem Körper, der wiederum als Signalgeber für unsere Gefühlswelt dient. Wenn wir lernen, die Signale zu deuten und die dahintersteckenden Gefühle zu erkennen, können wir besser auf sie eingehen und einen bewussteren Umgang mit ihnen gestalten. Das stärkt die Verbindung von Körper, Geist und Psyche und verleiht uns ein Gefühl von Ganzheit.

Fazit

Aus Wut kann Kraft entstehen, aus Angst kann Mut oder Vertrauen werden, aus Ekel kann Selbstschutz werden, aus Trauer Selbstliebe entspringen und aus Groll kann Klarheit für die eigenen Ansprüche und Grenzen erwachsen. Wenn wir uns trauen, genau hinzusehen und hinzuspüren, um die Botschaften zu entschlüsseln, die in unseren Gefühlen stecken, können wir sie als Verbündete betrachten. Wo sie uns weiterbringen, können wir ihnen folgen, wo sie uns bremsen, können wir lernen, sie zu beruhigen und selbst das Steuer übernehmen. 

Im zweiten Artikel über Gefühle erfahren Sie, welche Gedanken zu welchen Gefühlen führen können, welche Botschaften Scham, Überforderung oder Enttäuschung bereithalten und mit welchen praktischen Tipps Sie diesen Gefühlen begegnen können.

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