Eine falsche Entscheidung – und dann?

von Anna Schmitz
Eine falsche Entscheidung – und dann?
Geht es weiter. Ein Interview mit Alexa.
„Keine Entscheidung ist endgültig – aber jede bringt dich weiter“
Ein Interview mit Alexa (42) über die Kraft von Resilienz nach einer beruflichen Fehlentscheidung
Struss & Claussen: Alexa, schön, dass du heute da bist. Wir möchten über eine Entscheidung sprechen, die du rückblickend lieber anders getroffen hättest. Erinnerst du dich an den Moment, als du diese Entscheidung getroffen hast?
Alexa: Ja, sehr gut sogar. Es war vor etwas mehr als zwei Jahren. Ich hatte das Angebot, in einem größeren Unternehmen eine Führungsposition zu übernehmen mit mehr Verantwortung, mehr Sichtbarkeit und einem tollen Gehalt. Es fühlte sich nach dem „nächsten logischen Schritt“ an. Ich war stolz und motiviert.
Struss & Claussen: Das klingt zunächst stimmig. Wann hast du gemerkt, dass es nicht das Richtige für dich war bzw. ist?
Alexa: Ungefähr nach sechs Monaten. Ich habe gemerkt, dass die Unternehmenskultur nicht zu meinen Werten passt. Es ging viel um Konkurrenz, Status, Tempo. Alles wirkte außen glänzend, aber innen hat es sich für mich leer angefühlt. Ich hatte kaum Gestaltungsspielraum, musste viel „Verwaltung nach oben“ betreiben, wenig echte Führung. Ich befand mich auf einmal in dem oft beschriebenen Hamsterrad. Und habe gemerkt: Ich funktioniere zwar gut, aber ich brenne ganz und gar nicht für die Sache.
Struss & Claussen: Gab es einen Moment, der das für dich besonders deutlich gemacht hat?
Alexa: Ja, es war ein Montagmorgen. Ich saß vor dem Rechner, im zweiten Meeting des Tages, weitere fünf sollten folgen. Eins inhaltsleerer als das andere. Ich dachte mir: Ich kann das. Aber wenn ich ehrlich mit mir bin, will ich das eigentlich nicht. Ich habe mich selbst gefragt: Ist das das Leben, das ich führen will? Der berufliche Weg, den ich weitergehen will? Und meine ehrliche Antwort war: Nein.
Struss & Claussen: Das anzuerkennen erfordert Mut. Wie bist du mit dieser Erkenntnis umgegangen?
Alexa: Im ersten Moment war ich enttäuscht von mir. Ich hatte doch alles so rational durchdacht, so professionell entschieden. Ich dachte: Wie konntest du dich so irren? Aber dann habe ich gemerkt: Der Fehler war nicht das Entscheiden. Der Fehler ist genau genommen noch gar nicht passiert. Er wäre nämlich gewesen, jetzt stur daran festzuhalten.
Struss & Claussen: Das ist ein starker Perspektivwechsel. Was hat dir geholfen, konstruktiv weiterzugehen?
Alexa: Das waren viele kleine Faktoren. Ich habe mir erlaubt, innezuhalten und nicht sofort wieder in Aktionismus zu verfallen. Es hat ja alles funktioniert, ich hatte ein gutes Gehalt. Es war durchaus ein Zustand, den ich weiter aushalten konnte, solange ich merkte, dass Bewegung reinkommt. Ich habe mir Unterstützung bei euch geholt, reflektiert, was mir wirklich wichtig ist, was mir fehlt. Und ich habe begonnen, innerlich umzuschalten: Weg von „Ich bin gescheitert“ hin zu „Ich bin unterwegs“. Ich habe die Erfahrung nicht abgewertet, sondern versucht, sie für mich zu nutzen. Und mir bewusst Zeit genommen, um herauszufinden, was mein nächster stimmiger Schritt ist.
Struss & Claussen: Was hast du in dieser Zeit über dich gelernt?
Alexa: Dass Entscheidungen keine ultimativen Zustände sind, sondern Räume, in denen wir uns selbst begegnen. Das nahm mir den Druck, die nächste Entscheidung zu treffen, schließlich hätte ich auch denken können: du hast die letzte Entscheidung schon nicht „richtig“ getroffen, dann wird es dir jetzt wieder nicht gelingen. Doch als ich mich ehrlich mit den Gründen, weshalb ich diese Entscheidung getroffen habe, auseinandergesetzte, genauso wie mit den Ursachen für meine Unzufriedenheit, wurde mir klar, wie mein nächster Schritt aussehen könnte. Zusammenfassend könnte man sagen: Ich habe gelernt, dass nicht jede Entscheidung dauerhaft richtig sein muss, damit sie wertvoll ist. Und dass eine Rückschleife kein Rückschritt ist, sondern Teil der Entwicklung.
Struss & Claussen: Was würdest du jemandem sagen, der gerade zweifelt, ob er oder sie eine falsche Entscheidung getroffen hat?
Alexa: Es ist gar normal Zweifel zu haben, schließlich kann keiner in eine Glaskugel schauen und Unsicherheiten gehören zu Entscheidungen dazu. Wenn man jedoch merkt, dass man sich mit einer Entscheidung nicht wohlfühlt, fängt das Problem erst dann an, wenn man das aus der Angst, vorher eine falsche Entscheidung getroffen zu haben, ignoriert. Ich sehe es heute so: wir entscheiden uns für etwas, dabei lernen wir mehr über uns. Mit diesem Wissen treffen wir die nächste Entscheidung. Ob diese bedeutet, auf dem Weg zu bleiben oder eine Abzweigung zu nehmen, ist weder besser noch schlechter. Es ist einfach das Leben.
Struss & Claussen: Vielen Dank, liebe Alexa, für deine Offenheit und Klarheit. Du hast gezeigt, dass auch „falsche“ Entscheidungen Teil einer guten Lebensspur sein können, wenn man sie reflektiert. Dein Weg macht Mut.
Alexa: Danke euch. Wenn jemand da draußen gerade an einem ähnlichen Punkt steht: Du bist nicht allein. Und: Es wird wieder leicht. Versprochen.
25.09.2025