#Persönlichkeitsentwicklung

Die Scanner-Persönlichkeit: als Multitalent typgerecht leben

Die Scanner-Persönlichkeit: als Multitalent typgerecht leben

Julia Molina

Während einige Menschen sich mit Spezialisierung, Routine und Vorhersagbarkeit wohl und sicher fühlen, brauchen vielseitig interessierte „Scanner“ Neues und Abwechslung wie die Luft zum Atmen. Julia Molina zeigt, was diese Multitalente ausmacht und wie sie ihr Leben im Einklang mit ihrer Persönlichkeit gestalten können.

„Nie bringst du etwas zu Ende.“, „Du bist so flatterhaft.“ oder „Entscheide dich doch mal für eine Sache und bleib dabei!“: Das Umfeld reagiert oft kritisch und verständnislos auf wissensdurstige bunte Schmetterlinge, die von Interesse zu Interesse springen, gerne neue Projekte beginnen, diese jedoch oft ebenso schnell wieder fallen lassen. Es gibt einen Begriff für diese Persönlichkeiten: Scanner (weil sie gerne immer wieder Neues „scannen“, also schnell erfassen, und sich dann dem nächsten spannenden Thema zuwenden). Seit die amerikanische Coachin und Autorin Barbara Sher 1979 das Konzept der Scanner-Persönlichkeit geprägt und in diversen Büchern darüber aufgeklärt hat, haben sich viele Autor*innen und Medien mit dem Thema befasst. Woran erkennen Sie, ob Sie selbst ein Scanner sind? Welche Stärken zeichnen diese Multitalente aus – und vor welche Herausforderungen stellt sie ihre Veranlagung? Und welche Tipps helfen Scannern dabei, erfüllt und erfolgreich zu leben?

Breite oder Tiefe

Um zu verstehen, was die Scanner-Persönlichkeit auszeichnet, schauen wir uns zunächst ihr Gegenteil an, von Barbara Sher als „Taucher“ bezeichnet: Taucher-Typen entwickeln oft schon in ihrer Kindheit ein bestimmtes Interessensgebiet, dem sie sich intensiv widmen und so viel Zeit wie möglich dafür aufbringen. Es bedeutet nicht, dass sie allen anderen Themen gegenüber desinteressiert sind, doch ihre Leidenschaft für ihr Kerngebiet ist unvergleichlich und zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Leben. Statt ihre Aufmerksamkeit breit zu streuen, gehen sie bei einer wichtigsten Sache (oder einigen wenigen Themen) in die Tiefe. Wer beispielsweise immer schon Ärztin werden wollte und von klein an diesen Weg bestritten hat, gehört zu den Tauchern. 

Beim Scanner ist es umgekehrt: Bereits als Kinder sind diese Typen hochgradig neugierig und interessieren sich für eine Vielzahl an Themen, die teilweise absolut nichts miteinander zu tun haben. Sie begeistern sich schnell für ein neues Projekt, das gerade ihre Aufmerksamkeit erregt, und arbeiten sich in kürzester Zeit – oft autodidaktisch – darin ein. Wichtiger als das Fertigstellen ihrer Projekte ist den Scannern das Eintauchen in ein Thema an sich, also eher der Weg als das Ziel. Sie orientieren sich mehr in der Breite und möchten in viele unterschiedliche Bereiche hineinschnuppern. Diese Neigung führt dazu, dass Scanner oftmals nicht genau wissen, wie sie sich beruflich orientieren sollen, wie sie finale Entscheidungen treffen oder wie sie ihren Alltag bei den vielen Interessen strukturieren sollen. 

Übrigens bedeutet die Ausrichtung in der Breite der Scanner-Persönlichkeiten keineswegs, dass sie Themen immer nur oberflächlich streifen und etwa „Generaldilettanten“ wären. Im Gegenteil: Es handelt sich in den meisten Fällen tatsächlich um multitalentierte, begabte Menschen, die einfach das Glück haben, dass ihnen viele Dinge leichtfallen und sie eine schnelle Auffassungsgabe besitzen. Ihr Geist ist auf rasche Informationsverarbeitung ausgelegt, weswegen sie sich auch leicht langweilen – zum Beispiel, wenn sie eine Sache bereits durchdrungen haben und sich weiterhin mit für sie unwichtigen Details und Routine befassen müssen. 

Bin ich ein Scanner?

Fühlen Sie sich bereits von der Beschreibung angesprochen? Die folgende Checkliste hilft Ihnen bei der Einordnung, ob Sie möglicherweise auch eine Scanner-Persönlichkeit sind. Da es sich dabei um kein trennscharfes Konzept handelt („entweder man ist es oder man ist es nicht“), können Sie die Auswertung graduell vornehmen: Je mehr Eigenschaften auf Sie zutreffen, umso ausgeprägter ist Ihre Neigung zur multitalentierten Persönlichkeit.

  • Sie sind seit Ihrer Kindheit sehr neugierig und wissbegierig.
  • Sie können sich sehr leicht für neue und extrem unterschiedliche Themen begeistern.
  • Ihre Interessen scheinen keiner Logik zu folgen: Sie finden beispielsweise IT, Häkeln und das Fortpflanzungsverhalten der Waldschnepfe gleichermaßen faszinierend.
  • Sie sind flexibel und können sich gut an verschiedene Umfelder und Situationen anpassen.
  • Wenn Sie ein neues Thema interessiert, beschäftigen Sie sich intensiv damit und widmen ihm extrem viel Aufmerksamkeit. Nach einer gewissen Zeit flaut Ihr Interesse deutlich ab und Sie wenden sich etwas Neuem zu.
  • Sie langweilen sich schnell, vor allem, wenn Sie bereits gelernte Aufgaben wiederholen müssen und das Gefühl haben, immer das Gleiche tun zu müssen.
  • Es ist mehr das „große Ganze“, was Sie interessiert, nicht so sehr die Details – entsprechend können Sie sehr gut Muster erkennen und übergeordnete Zusammenhänge herstellen.
  • Sie können sich nicht so leicht für nur eine Sache entscheiden bzw. würden sich am liebsten viele Türen offenhalten.
  • Multitasking fällt Ihnen leicht, Sie können gut zwischen verschiedenen Aufgaben hin- und herspringen.
  • Sie neigen dazu, oft Projekte nicht zu Ende zu führen, und es fällt Ihnen schwer sich mit Dingen zu befassen, die Sie nicht interessieren.
  • Mit steilen Hierarchien und starren Strukturen kommen Sie schlecht klar, blühen hingegen auf, wenn Sie Ihre Individualität ausdrücken können.
  • Sie sind ein kreativer Mensch und in Ihrem Kopf sprudeln ständig neue Ideen hervor.

Herausforderungen von Scanner-Persönlichkeiten

Die Veranlagung zum Generalisten bringt viele Stärken und positive Aspekte mit sich, die jedoch in der heutigen Zeit oft auf Unverständnis oder Ablehnung stoßen. In der Renaissance-Ära galt es noch als erstrebenswertes Ideal, ein Universalgelehrter bzw. eine Universalgelehrte zu sein und sich in vielen verschiedenen Bereichen auszukennen. In den letzten hundert Jahren war jedoch eher Spezialisierung gefragt und es galt als Tugend, sich für eine Sache zu entscheiden und dabei unbeirrt am Ball zu bleiben – zumindest in der deutschen Kultur. Im Zuge von New Work, agilen Arbeitsprozessen und einer Vielzahl sich ständig weiterentwickelnder digitaler Jobs könnten die typischen Eigenschaften von Scannern wieder einen Aufschwung erleben, weil schnelle Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit dafür relevant sind. Doch immer noch werden Multiinteressierte für ihren „Wankelmut“ und ihre mangelnde Beständigkeit oft kritisiert.

Abgesehen von möglichen negativen Reaktionen des Umfelds sehen sich Scanner-Persönlichkeiten aufgrund ihrer Veranlagung tatsächlich einigen Problemen gegenübergestellt: Während sie in der Regel auch bei vielen Projekten gut den Überblick behalten können, kann es doch schnell passieren, dass sie sich verzetteln und nicht mehr wissen, wie sie alle verschiedenen Themen unter einen Hut bringen sollen. Verpasste Deadlines, Aufgabenerledigung in letzter Minute und schlichtweg Stress sind häufig die Folge. Außerdem brechen einige Scanner eingeschlagene Wege immer wieder ab, zum Beispiel Ausbildungen, Studiengänge oder Jobs – während Abwechslung für sie essenziell ist, kann sie diese Tendenz bei extremer Ausprägung davon abhalten, beruflich Fuß zu fassen. Und schließlich plagen Scanner oft Selbstzweifel: Sie fühlen sich „unfähig“, weil sie einfach nicht am Ball bleiben können oder sie kommen sich wie Hochstapler vor, weil „wer alles ein bisschen kann, nichts richtig kann“. 

Tipps für ein glückliches Scanner-Leben

Um das Positive an ihrer Persönlichkeit wertzuschätzen und für sich zu nutzen und gleichzeitig mögliche Schwächen auszugleichen, können Scanner sich von den folgenden Impulsen inspirieren lassen.

1. Sich selbst als Schmetterling annehmen

Scanner haben oft ihr Leben lang gehört, sie sollen sich lieber festlegen und es sei schlecht, dass sie Projekte nicht abschließen und immer wieder ihre Interessen wechseln. So fühlen sie sich häufig unter Druck, sich an das Mandat der Spezialisierung anzupassen, oder haben ein niedriges Selbstwertgefühl, weil sie sich selbst als „irgendwie falsch“ wahrnehmen. Hier kann ein Perspektivwechsel Wunder bewirken: Sich selbst unter dem Begriff der Scanner-Persönlichkeit wiederzufinden, erleichtert viele bereits, weil es ein Konzept dafür gibt, wie sie sich verhalten. Weiterhin ist es hilfreich, die meist negative Bewertung der eigenen „Flatterhaftigkeit“ ins Neutrale oder Positive umzuwandeln und die Stärken darin wertzuschätzen: Offenheit für neue Erfahrungen, Wissensdurst, schnelles Verarbeiten von Informationen, vielseitige Begabung – und somit eben ein abwechslungsreiches, spannendes Leben, in dem ganz viele unterschiedliche Erfahrungen gemacht werden, wenn man seinem Herzen folgt. Statt zu denken „Ich habe schon so oft Jobs und Branchen gewechselt, warum kann ich nie bei etwas bleiben?“, kann der Fokus auf das Positive gelegt werden: „Wie toll, dass ich schon die Gelegenheit hatte, in viele verschiedene Bereiche Einblicke zu gewinnen – das steigert meine Jobchancen und es war spannend, derart viel zu lernen.“ Versuchen Sie, sich von kritischen Stimmen zu lösen, sich mit Menschen zu umgeben, die Sie als „Tausendsassa“ schätzen und vor allem sich selbst als Scanner anzunehmen – ohne schlechtes Gewissen, wenn Sie beispielsweise nach nur zwei Monaten Synchronschwimmen merken, dass es doch nicht Ihr Ding ist, oder wenn es Sie mal wieder nach zwei Jahren dazu treibt, Ihren Arbeitgeber wechseln zu wollen.

2. Die eigene Veranlagung richtungsweisend machen

Selbstakzeptanz ist der erste Schritt – der zweite ist es, das eigene Leben auch entsprechend der persönlichen Vorlieben und Neigungen zu gestalten. Das beginnt schon bei der Studien- oder Ausbildungswahl: Orientieren Sie sich als Scanner am besten von vornherein in Richtung generalistischer Studiengänge und Berufe, zum Beispiel Fächerkombinationen verschiedener Sozial-, Kultur- und Gesellschaftswissenschaften oder etwas Richtung Medien und Werbung, Journalismus, Kunst oder Design. Das Gegenteil davon, hochspezialisierte Studiengänge mit sehr klar definierten folgenden Berufsbildern wie Jura oder Medizin, ist vermutlich nicht abwechslungsreich genug für Sie (Sie können sich selbstverständlich auch dafür entscheiden, müssen sich jedoch klarmachen, dass Sie dafür einen langen Atem brauchen). Dank Ihres Ideenreichtums und Ihrer Begeisterungsfähigkeit sind Sie wie gemacht für kreative Berufe, die es Ihnen erlauben, sich mit immer neuen Themen zu beschäftigen – ob Sie als Schauspieler*in in neue Rollen schlüpfen, als Vlogger*in all Ihre Interessen erkunden oder als Werbetexter*in von Kunde zu Kunde und Auftrag zu Auftrag springen können. Auch beratende Jobs passen gut zu Ihnen, weil Sie auf unterschiedliche Menschen und deren Geschichten treffen, zum Beispiel als Coach*in oder Lehrer*in. Eine optimale Lösung für viele Scanner besteht darin, einfach verschiedene Jobs zu kombinieren: Vielleicht arbeiten Sie drei Tage die Woche festangestellt als PR-Manager*in und widmen die restliche Zeit Ihrem YouTube-Kanal, engagieren sich ehrenamtlich oder jobben in der Gastronomie. Oder Sie wählen ein Modell, bei dem Sie zum Beispiel in den Wintermonaten auf Bali Surfkurse geben, während Sie im restlichen Jahr in Deutschland als freie*r Journalist*in arbeiten. Trauen Sie sich nach Wegen zu suchen, wie Sie Ihrer Interessenvielfalt Ausdruck verleihen können, statt in einem stechuhrartigen Nine-to-Five-Job zu verharren. Ihre Biografie darf bunt sein und Wechsel enthalten – in vielen Branchen wird Ihnen das sogar zum Vorteil ausgelegt, weil es Ihre Vielseitigkeit unterstreicht.

3. Für Achtsamkeit und Struktur sorgen

Bei aller Wertschätzung für Ihre wechselhafte Veranlagung: Denken Sie daran, dass auch Sie gelegentlich Projekte abschließen müssen und zumindest für eine gewisse Zeit Ihre Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Aufgabe bündeln können sollten – sonst leiden Ihre Arbeitsergebnisse. Außerdem ist es wichtig, Entscheidungen treffen zu können und zumindest für eine gewisse Zeit lang dabei zu bleiben. Wenn Sie fünf Studiengänge und Weiterbildungen abbrechen, ist zwar Ihr Interesse an den Themen vielleicht befriedigt. Ohne den Nachweis eines Abschlusses stellen jedoch zukünftige Arbeitgeber möglicherweise in Frage, ob Sie wirklich qualifiziert genug sind. Schaffen Sie Struktur, die für Sie passt: Arbeiten Sie trotz aller Spontaneität mit einem Kalender, in den Sie all Ihren Interessen einen festen Platz zuweisen, zum Beispiel montags Ukulele spielen, dienstags Kampfsport, mittwochs an meinem Roman weiterschreiben usw. Selbstverständlich können Sie immer noch Dinge streichen, die Sie nicht mehr länger interessieren – Sie vermeiden auf diese Weise jedoch, aufgrund von Verzettelung Beschäftigungen auszulassen, die Ihnen eigentlich Freude bereiten. Detailarbeit und langwierige Projekte sind Ihnen in der Regel ein Graus. Bleiben Sie bei wichtigen Aufgaben dennoch am Ball und gestalten Sie den Prozess für Sie passender, indem Sie ihn in viele kleine Unteraufgaben und Teilziele aufteilen (Salami-Taktik). Planen Sie auch Pausen und „Spaß“ ein oder belohnen Sie sich dafür, einen Teilschritt abgeschlossen zu haben. Es hilft auch, wenn Sie sich noch einmal klarmachen, warum Sie auf lange Sicht etwas zum Abschluss bringen möchten, auch wenn gerade Ihr Interesse nicht mehr vorhanden ist. So kommen Sie zum Beispiel nach dem Lernen eines trockenen Fachs Ihrem Abschluss näher, mit dem Sie einen spannenden Beruf ausüben können. Bei Entscheidungen hilft es, sie nicht als „final und unumkehrbar“ zu betrachten: Selbst wenn Sie ein bestimmtes Studium abschließen, werden Sie deshalb nicht für immer in diesem Bereich arbeiten müssen – Wechsel und Veränderungen sind ein Leben lang möglich. Versuchen Sie schließlich mit Achtsamkeit, das Hier und Jetzt auch wirklich zu genießen. Denn wenn Ihnen zu viele Ideen im Kopf umherschwirren, können Sie sich selbst hetzen beim Gedanken, was Sie noch alles unbedingt tun möchten. Sie sind dann vielleicht in Gedanken immer schon bei den nächsten drei Abenteuern und widmen dem aktuellen Moment zu wenig Aufmerksamkeit. Meditation hilft Ihnen dabei, im Moment zu bleiben, und ein Dankbarkeitstagebuch zeigt Ihnen die Fülle an Positivem auf, das bereits in Ihrem Leben vorhanden ist.

Fazit

Auch wenn einige Aspekte der Scanner-Persönlichkeit missverstanden werden und zu Herausforderungen führen können: Lernen Sie als Multitalent, Ihren Facettenreichtum, Ihren wachen Geist und Ihre kindliche Begeisterungsfähigkeit zu lieben. Mit ein wenig Struktur bekommen Sie auch als Schmetterling Ihr Leben geregelt und können trotzdem von Blume zu Blume fliegen. Neues zu erfahren, zu lernen und Dinge auszuprobieren ist das, was Sie im Leben antreibt und begeistert. Sorgen Sie immer dafür, dass Sie dafür genügend Raum und Zeit einplanen.

Buchtipp für Scanner-Persönlichkeiten: Barbara Sher (2012): Du musst dich nicht entscheiden, wenn du tausend Träume hast. dtv Verlag

 

Die wichtigste Grundlage für beruflichen Erfolg und persönliche Zufriedenheit bildet eine Lebensführung in Übereinstimmung mit Ihrer Persönlichkeit. Sie zu kennen, ist der erste Schritt. Mit unserem kostenfreien Schnuppertest bieten wir Ihnen die Möglichkeit, ihn zu gehen und einen ersten Einblick in Ihr Inneres zu erhalten.

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