Freitag, 18. Dezember 2015

Führen kann man lernen!

Ob Martin Luther King oder Mahatma Gandhi, Angela Merkel oder Mark Zuckerberg: Sie alle sind das, was man unbestritten Führungspersönlichkeiten nennt. Warum aber ist das so? Was unterscheidet sie von anderen? Seit fast einem Jahrhundert beschäftigt sich die akademische Forschung zur Unternehmensführung mit diesen Fragen. Feststeht: Führung lässt sich nicht auf einzelne Charaktereigenschaften herunterbrechen. Die betroffenen Personen und die gegebenen Umstände sind genauso wichtig wie der Führende selbst. In diesem Sinne hat sich auch die Forschungswelt allmählich von einer individuellen zu einer systemischen Betrachtung gewandelt.

Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich mit einer Gruppe von Menschen in einem brennenden Haus. Eine schnelle Lösung ist existenziell. In dieser Situation wirken zwei Faktoren auf gute Führung ein: das Wissen um den Weg ins Freie und das Vertrauen der anderen Personen. Beides muss gegeben sein, damit die Gruppe das Haus unversehrt verlassen kann. Glaubt der Anführer irrtümlich den Weg zu kennen, könnte die Flucht fatal enden. Akzeptieren die anderen seine Führungsrolle nicht, wird es ihm unmöglich sein, die Menschen zu führen – egal, wie gut er das Haus kennt. 

Das Beispiel zeigt: Der Situation kommt eine ebenso große Bedeutung zu wie dem Fachwissen, der eigenen Verantwortung eine ebenso große wie dem Vertrauen der anderen. Nicht alle dieser Faktoren sind beeinflussbar. Ganz im Unterschied zur Arbeit an uns selbst! Wie wir als Person denken, handeln oder fühlen, stellt die einzige Stellschraube dar, an der sich drehen lässt. Bezogen auf das brennende Haus bedeutet das, dass beispielsweise eine tonangebende und durchsetzungsstarke Person lernen sollte, einer anderen den Vortritt zu lassen, sofern sie geeigneter ist.

Was in der Theorie logisch und einfach klingt, stellt Führungskräfte im Unternehmensalltag vor eine Herausforderung. Kontrolle – und damit gleichbedeutend auch Macht – abzugeben, fällt ihnen aufgrund ihrer autoritär ausgelegten Position zum Teil schwer. Gleichzeitig ist es im Sinne der Sache unerlässlich, dass kompetentere Personen die Initiative ergreifen, auch wenn sie ungern im Rampenlicht stehen und unsicher sind.

Fakt ist: Jeder Mensch hat Entwicklungspotenzial. In welche Richtung die Entwicklung geht und wie zielgerichtet sie verläuft, hängt maßgeblich davon ab, wie stark eigene Persönlichkeits- und Denkmuster reflektiert werden.  Wer sich seiner Selbst bewusst ist und im Einklang mit seinen Werten handelt, wird auch von seinem Umfeld als authentisch wahrgenommen – die Voraussetzung für die Anerkennung der Führung durch Dritte. Authentizität zeigt sich aber nicht nur in der eigenen Aktion, sondern auch in der Interaktion, im ehrlichen, wechselseitigen Beziehungsverhältnis zu anderen. Neben dem eigenen Verhalten sollte daher auch der Umgang mit Menschen reflektiert, auf Situation und Intention hin angepasst werden.

Personaldiagnostische Verfahren können dabei helfen, diesen Prozess strukturiert anzugehen und nachhaltig zu verinnerlichen. Akzeptanz gegenüber eigenen Mustern und denen des Umfelds legt einen Grundstein, um als authentische Führungskraft zu agieren.

Interessiert? Dann empfehlen wir dazu:
Avolio, B.J., Gardner, W.L., Walumbwa, F.O., Luthans, F. and May, D.R., 2004. Unlocking the mask: A look at the process by which authentic leaders impact follower attitudes and behaviors. Leadership Quarterly, 15, pp. 801-823.
Denis, J.-L., Langley, A. and Sergi, V. 2012: Leadership in the Plural, The Academy of Management Annals, 6:1, pp 211-283.

Zum Autor:
Fabian Lotze hat sein Masterstudium in Cultures and Organizational Leadership an der Anglia Ruskin University in Cambridge absolviert. Das Team von Struss und Partner unterstützt er als Karriereberater und Coach.